Geheimnisvoll Vertrauter Fremder - Historical Bd 274
dieser Menschen haben.
Sie erinnerte sich daran, wie grob er zu dem Mann war, den er William genannt hatte. Kannte er kein Einfühlungsvermögen, keine Rücksichtnahme? Als er sie an dem Berghang hielt, da hatte sie so etwas wie Wärme gespürt … so etwas wie Liebe, aber auch Verlangen.
Kathryns Wangen wurden von einem flammenden Rot überzogen, als sie sich selbst all diese Emotionen eingestand, die in jenem kurzen Moment in seinen Armen auf sie eingestürzt waren. Nein, es war nur Einbildung, so etwas konnte sie nicht gespürt haben! Es war unmöglich, einen derart gefühlskalten Mann zu lieben. Was sie wahrgenommen hatte, war lediglich Erleichterung gewesen.
Sie wandte sich um, als die Tür ihrer Kabine geöffnet wurde. Lorenzo blieb in ihr stehen. Er sah sie aus seinen tiefblauen Augen an, die so starke Gefühle in ihr weckten.
„Meine Gondel wird Euch zu meinem Palast bringen“, teilte er ihr mit. „Fühlt Euch frei, im Haus und im Garten alles zu tun, was Ihr möchtet – aber verlasst es nicht ohne meine Begleitung.“
„Ich freue mich sehr darauf, wieder bei meiner Tante zu sein, Sir.“
„Lady Mary und Lord Mountfitchet sind bereits nach Zypern gefahren“, erklärte er ihr. „Meine Galeere muss dringend repariert werden, allein zu diesem Zweck bin ich nach Venedig zurückgekehrt. Ansonsten hätte ich Euch bei ihnen abgeliefert.“
„Aber …“ Kathryn starrte ihn bestürzt an. „Wie soll ich denn … Es ziemt sich nicht, dass ich ohne Tante Mary in Eurem Haus wohne, Sir.“
Er verhöhnte sie mit seinen Blicken. „Ihr wart noch vor kurzem die Gefangene von Don Pablo, Kathryn. Euer Ruf hat zwangsläufig gelitten. Wenn Ihr jedoch um Eure Tugend fürchtet, solltet Ihr wissen, dass Ihr vor mir vollkommen sicher seid. Ich habe kein Interesse an törichten Kindern.“
Ihre Wangen brannten, als sie das spöttische Funkeln in seinen Augen sah. „Ich meinte doch nicht, dass Ihr mir … Aber meine Ehre …“ Sie geriet ins Stocken, als ihr klar wurde, dass sie inzwischen wahrhaftig nicht mehr behaupten konnte, einen guten Ruf zu haben. Sie war Don Pablos Gefangene gewesen und hatte mehrere Tage auf seinem Schiff und in seinem Haus verbracht. In dieser Zeit hätte alles mit ihr geschehen können, und manche würden vielleicht das Schlimmste glauben. „Wahrscheinlich ist es wirklich zu spät, sich Sorgen darüber zu machen, was die Leute von mir denken.“
Lorenzos Lachen klang tief und rau. „Lasst sie doch denken, was sie wollen, Kathryn. Der Mann, der Euch heiratet, wird wissen, dass Eure Tugend unangetastet ist, und alle anderen sind bedeutungslos.“
„Ja, Ihr habt recht, Sir.“ Sie hob stolz den Kopf, obwohl sie zutiefst beunruhigt war. Für ein unverheiratetes Mädchen war ein guter Ruf unschätzbar wertvoll, und ihrer war ohne eigenes Verschulden befleckt worden.
„Wir haben drei Galeerensklaven aus dem Wrack befreit“, sagte Lorenzo. „Keiner von ihnen hat blaue Augen. Aber wenn es ihnen gut genug geht, werde ich sie fragen, ob sie vielleicht irgendwelche Informationen über Richard Mountfitchet haben.“
„Ich nannte ihn immer Dickon“, erwiderte Kathryn mit traurigen, etwas verträumten Augen. „Und er nannte mich Kathy … seine süße Kathy. Wir waren nur Kinder, aber wir liebten einander sehr.“
Lorenzo sah sie aus verengten Augen eindringlich an. An seiner Schläfe pochte eine Ader, als er sagte: „Wenn Euch noch irgendetwas einfällt, was vielleicht wichtig sein könnte, teilt es mir bitte mit. Es sollte nicht länger als eine Woche dauern, bis meine Galeere wieder seetüchtig ist, und dann werde ich Euch zu Eurem Onkel bringen. Ich glaube, er nahm William mit, wie es Euer Wunsch war.“
„Danke.“ Sie blickte ihm in die Augen, trotz ihres gefassten Entschlusses, auf Distanz zu ihm zu bleiben. Wieder setzte ihr Herz einen Schlag lang aus. Oh nein! Sie benahm sich wirklich wie ein sehr dummes Mädchen. Sie konnte sich nicht zu diesem Mann hingezogen fühlen. Es war unmöglich – und es war auch nicht richtig! Ihr Herz gehörte ganz sicher Dickon, und sie würde niemals jemanden heiraten, der zu den Dingen fähig war, die dieser Mann getan hatte. „Ich freue mich darauf, wieder zu meinen Freunden zurückzukehren.“
„Ja, natürlich“, erwiderte er. „Nun kommt, die Gondel wartet.“
Kathryn schritt unruhig durch ihre Kammer. Sie waren jetzt seit zwei Tagen in Venedig, und sie hatte Lorenzo so gut wie nie gesehen. Ihre Mahlzeiten wurden ihr serviert, wo
Weitere Kostenlose Bücher