Geheimnisvoll Vertrauter Fremder - Historical Bd 274
dunkler als die anderen Narben, älter und irgendwie anders. Bis vor kurzem war sie ihm nicht wirklich aufgefallen. Er zeichnete sie geistesabwesend mit dem Zeigefinger nach – und malte einen Buchstaben.
Kathryn! Sie war zu oft in seinen Gedanken. Wenn er zuließ, dass der Gedanke an sie überhand nahm, würde ihn das zerstören. Er hatte angefangen, sich Dinge einzubilden, unmögliche Träume zu hegen, die ein Mann wie er nicht haben durfte – und dann waren da noch die Bilder, die ihm plötzlich kamen. Waren es vielleicht Erinnerungsfragmente? Er konnte sich nicht sicher sein. So viele Jahre lang hatte er sich an nichts erinnert, hatte sich an nichts vor dem Augenblick erinnern wollen, in dem er das Gesicht seines Feindes gesehen und gewusst hatte, dass er nur lebte, um ihn zu töten.
Rachid war kein Araber, er war seinem Ursprung nach aber auch kein Türke. Seine Haut war von der Sonne verbrannt und seine Augen grau, aber er stammte aus der westlichen Welt – etwas, wofür Lorenzo ihn nur noch mehr verachtete. Wie konnte er, ein Mann, der mit christlichen Werten aufgewachsen war, andere Männer mit solcher Grausamkeit ausbeuten und foltern? Er war böse, ein Jünger Satans – und Lorenzo durfte nicht ruhen, bevor er tot war.
Nichts konnte ihn von seinem Vorhaben abbringen. Er durfte nicht zulassen, dass ihn das Lächeln einer Frau weich machte und jene verstörenden Erinnerungsfragmente ihm seine Identität raubten. Es war nicht wichtig, wer er früher war. Er war Lorenzo Santorini. Ein Mann, der keine Gnade für seine Feinde kannte.
Je schneller er Kathryn zu ihren Freunden zurückbringen konnte, desto besser. Wenn er vernünftig war, würde er ihr Michael als Eskorte mitgeben und das Ganze an dieser Stelle beenden. Je länger sie bei ihm blieb, desto mehr konnte er sich in ihrem Netz verfangen.
Kathryn blickte sich in der Kabine um, in die man sie geführt hatte. Sie war wesentlich luxuriöser eingerichtet als die, in der sie an Bord von Lorenzos Kriegsgaleere gewohnt hatte. Dies war das größte und schönste seiner Handelsschiffe. Es brachte eine Ladung mit Waren auf die Insel, die im Austausch gegen teure Weine und Zitrusfrüchte an die dortigen Händler verkauft werden sollten. Diese Früchte wurden von jenen, die ihr Leben auf See verbrachten, sehr geschätzt, denn es hieß, dass sie dabei halfen, die gefürchtete Krankheit zu verhindern, die man Skorbut nannte.
Sie wandte sich um, als sie hinter sich jemanden hörte, und als sie zur Tür blickte, sah sie Lorenzo dort stehen. Er wirkte nachdenklich, als er sie anblickte, beinahe grüblerisch. Sie spürte, wie sie innerlich erbebte. Erneut verspürte sie das Verlangen, wieder in seinen Armen zu liegen, wie in der Nacht des Siebenten Mondes.
„Ich hoffe, Ihr werdet Euch hier wohl fühlen, Kathryn. Meine eigene Kabine wäre nicht angemessen für Euch, aber dieses Mal haben wir besser vorgesorgt.“
„Es war mir sehr recht, so zu leben wie Ihr“, sagte sie. „Reist Ihr mit mir auf diesem Schiff, Sir?“ Ihr Herz schlug schneller, während sie auf seine Antwort wartete. Obwohl sie sich vor ihm ängstigte, sehnte sie sich zugleich nach ihm.
„Nein, ich reise auf meiner persönlichen Galeere“, erwiderte Lorenzo. „Ihr werdet aber auch so sicher sein, denn wir eskortieren Euch nach Zypern. Ich habe dort Geschäfte mit Lord Mountfitchet zu tätigen.“
„Ja, natürlich“, stimmte sie zu, obwohl sie spürte, dass er ihr nicht die ganze Wahrheit sagte. „Es ist sehr freundlich von Euch, meinetwegen so viel Mühe auf Euch zu nehmen.“
„Ich will doch mein Lösegeld nicht verlieren“, sagte er mit einem seltsamen Lächeln auf den Lippen. „Das müsst Ihr doch wissen, Kathryn?“
„Ihr beschämt mich, Sir“, erwiderte sie errötend. „Es war falsch von mir, so etwas über Euch zu sagen.“
„War es das?“ Seine Augen verengten sich, und er blickte ihr eindringlich ins Gesicht. „Ich schäme mich nicht für das, was ich tue.“
„Warum solltet Ihr das auch?“ Sie errötete noch mehr, als er sie genauer musterte und offensichtlich darüber nachdachte, warum sie ihre Meinung geändert hatte. Sie wusste, dass sie vorsichtiger sein musste, da sie andernfalls Michaels Vertrauen verraten hätte. „Jeder Mann verdient sein Geld. Wenn Ihr jemandem einen Dienst erweist, so sollte derjenige auch erwarten, Euch dafür zu bezahlen.“
Lorenzo neigte den Kopf. „Ich habe die Männer befragt, die wir aus Rachids Galeere gerettet haben.
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