Geheimnisvolle Beruehrung
Kaleb stand im Türrahmen, das feuchte Haar ordentlich gekämmt und geschäftsmäßig gekleidet, in einem dunkelblauen Hemd, anthrazitfarbener Hose und schwarzen Schuhen. In der Hand hielt er einen Energiedrink.
Was immer sein Mentor ihm beigebracht hatte, es war sicher nichts Gutes gewesen. Und doch spürte sie das Verlangen, zu ihm zu gehen, weshalb sie ihrem Urteilsvermögen immer weniger traute – obwohl sie genau wusste, dass sie gegen jede Art von Gedankenkontrolle immun war. Man konnte weder ihren Geist beeinflussen noch sie beherrschen, ohne dass sie es merken würde.
Doch ihr Magen zog sich zusammen, ihre Fingernägel gruben sich tief in die Handfläche.
»Wie kann jemand außerhalb des Rats über solches Detailwissen verfügen?«, fragte sie und war selbst überrascht, wie ruhig und vernünftig sie klang, obwohl Körper und Geist einen Kampf austrugen, den sie sich nicht erklären konnte. »Entweder hat er Wahnideen oder verfügt über eine Quelle.«
Kaleb trank einen Schluck, ohne sie aus den Augen zu lassen. »Was meinst du?«
»Seine Anklagen sind so weit hergeholt, dass sie wahr sein könnten. Ich tippe auf eine Quelle.«
»Sieht so aus.« Er trank aus und teleportierte das Glas. »Es stimmt Wort für Wort.«
Mit zitternden Fingern nahm sie den Organizer, der noch schmaler und leichter war als die Geräte vor sieben Jahren. »War Santano Enrique verrückt?« Noch während sie die Frage stellte, fiel ihr ein, dass sie gerade erst gelesen hatte, Kaleb sei mit fünf in die Obhut Santanos gekommen. Es wäre ein grober Fehler anzunehmen, dieser Umstand hätte seine Entwicklung nicht geprägt und ihn nicht zum Spiegel des Mannes gemacht, der eine Vaterfigur für ihn gewesen sein musste.
Kaleb schob die Hände in die Hosentaschen, nichts erinnerte an einen Jungen, der an der Seite einer Bestie aufgewachsen war. »Das ist Ansichtssache«, sagte er. »Man könnte ihn auch für das perfekte Geschöpf in Silentium halten. Vollkommen ohne Empathie, ohne jegliches Gefühl. Die Morde waren für ihn nur ein interessantes Experiment.«
Kaleb sah die Furcht in Saharas Augen, als sie sich erhob. Die im Nacken zusammengebundenen Haare gaben ein Gesicht frei, das sich nicht verstellte. Ob sie überhaupt zu einem falschen Spiel fähig war? Wie die Spiele, die sein tägliches Brot waren, in denen er zwischen Wahrheit und Lüge wechselte, wann immer es zu seinem Vorteil war?
Obwohl sie den Blick nicht abgewandt hatte, bis sie aus dem Zimmer gegangen war, wusste er, dass noch nicht alle Erinnerungen zurückgekehrt waren – sonst hätte sie wesentlich mehr Angst gehabt, und die Angst hätte ihm gegolten.
Er ließ sie gehen, ohne sie darauf hinzuweisen, dass sie ihn nicht hätte aufhalten können, wenn er darauf aus gewesen wäre, sie zu verletzen. Ihre Knochen würden wie Streichhölzer brechen, wenn er seine telekinetischen Kräfte auch nur ein wenig einsetzte, und dunkelrotes Blut würde in Strömen fließen. So wie damals, als es in die Laken des billigen Hotels gesickert war. Alles war verbrannt, doch der Polizei war es dank der Spielchen Santanos dennoch nicht entgangen.
Kaleb wartete eine Weile, damit ihre Wachsamkeit sich legen konnte, und trat dann an die offenen Türen. Sahara saß im Schneidersitz auf der Sonnenliege. Der Sonnenschirm war noch nicht geöffnet, und die rotgoldenen Strähnen im schwarzen Haar leuchteten im Morgenlicht. Ungewöhnliche Strähnen, aber bei ihren Anlagen nicht ganz unerwartet. Ihre Mutter hatte schwarzes Haar gehabt, ihr Vater einen Schopf in der Farbe feuchten Tons, und in der Familie Kyriakus war das Gen für rotes Haar besonders stark ausgeprägt. Vollkommen unerwartet dagegen war das Profil ihrer Psyche und ebenso selten wie ein doppelter Kardinalmedialer.
Ihm war kein anderes Individuum im Medialnet bekannt, das diese Gabe hatte – sie war so begehrt, dass ihre Wärter sie trotz des Labyrinths nicht umgebracht hatten.
In Sahara Kyriakus schlummerte eine Macht, die einem Mann ein Imperium verschaffen konnte.
Makellose Mediale
Wenn es eine Person im Medialnet gab, vor der Vasquez Respekt hatte, dann war es Kaleb Krychek. Mit seinem eiskalt berechneten Aufstieg in den Rat unter Ausschaltung aller Gegner hatte der kardinale TK -Mediale vollkommenes Silentium bewiesen, und sich bei den Morden obendrein so geschickt angestellt, dass sie nie mit ihm in Verbindung gebracht wurden.
Henry hatte auch nur Gutes über den jungen Mann gesagt, doch er war nicht sicher gewesen, ob
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