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Geheimnisvolle Beruehrung

Geheimnisvolle Beruehrung

Titel: Geheimnisvolle Beruehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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immer bei diesen Rückschauen war sie unbeteiligte Zuschauerin … nur beobachtete sie diesmal eine jüngere Version ihrer selbst. Die graue Tunika reichte ihr gerade über die Knie, darunter trug sie ein ordentliches weißes Hemd und an den Füßen schwarze Ballerinas. Unter blühenden Kirschbäumen spazierte sie eine Allee entlang, alles schimmerte rosafarben im Sonnenlicht.
    Die Tunika war die Schuluniform der Junior High School. Da sie einen Zopf trug, der ordentlich zwischen den Schultern lag, und eine ganz bestimmte Mappe über der Schulter – und da sie einen großen blauen Fleck auf dem Arm hatte, wusste Sahara, dass sie fünfzehn war und sich gerade auf dem Weg von einem heftigen Baseball-Spiel im Sportunterricht nach Hause befand.
    Einer ihrer Schulkameraden hatte das Mal treffen wollen, sie aber auf dem Homerun am Arm erwischt. Er war untröstlich gewesen und hatte sich dauernd entschuldigt, doch sie hatte ihm wahrheitsgemäß gesagt, dass es ihr gut ging. Nur weil sie eine Mediale war und daher körperlich schwächer als Menschen oder Gestaltwandler, war sie nicht so zerbrechlich, dass sie es nicht mit den normalen Fährnissen des Lebens aufnehmen konnte. Da der Körper das Gefäß für den Geist war, gehörte Sport zur Routine für mediale Schüler.
    Und das war auch die offizielle Begründung dafür, dass Sahara dreimal wöchentlich Tanzunterricht nahm.
    »Erinnerung«, flüsterte Sahara in dem Bett, das so fern von der Schule war, in der sie Baseball gespielt hatte. Die Rückschau hatte sich in eine bislang verborgene Erinnerung verwandelt.
    An diesem fernen Tag hatte sie alles um sich herum sehr genau wahrgenommen, die fallenden rosa Blüten und auch die Hooverfahrzeuge, die ab und zu vorbeischwebten. Den hübschen Schatten, den die Kirschbäume warfen, hatte sie schon immer gemocht, obwohl sie das nicht hätte zugeben können, ohne sich zur sofortigen Rehabilitation zu verurteilen, deshalb hatte sie auch diesen Riss in ihrem schon instabilen Silentium verschwiegen und sich weiter heimlich am Frühling erfreut.
    Sie passte einfach nicht in das Programm. Es konnte sich nicht in ihr einrichten, wie sehr sie sich auch bemühte. Als kleines Kind hatte sie genau wie die anderen sein wollen, hatte unermüdlich die geistigen Übungen wiederholt. Was immerhin den Effekt gehabt hatte, dass sie als ›in Silentium‹ durchging, obwohl sie vermutete, dass Faith Verdacht geschöpft hatte.
    Faith! Rotes Haar. Augen einer Kardinalen. Ihre begabte Cousine hatte ihr Geheimnis bewahrt.
    Die fünfzehnjährige Sahara nickte einem vorbeiradelnden Klassenkameraden zu, der ihr zuwinkte. Es war erlaubt, bei einer solchen Gelegenheit, Menschen zuzuwinken, um die gesellschaftliche Harmonie zu erhalten, aber Sahara mochte auch einfach mit unterschiedlichen Leuten Umgang haben. Deshalb hatte sie sich eine Schule ausgesucht, auf die nicht nur Mediale gingen. Als sie bei ihrem Familienoberhaupt um Einwilligung gebeten hatte, war ihr Hauptargument allerdings der besonders gute Fremdsprachenunterricht gewesen.
    Sie war nicht die einzige Mediale auf der Schule, die einen brillanten Ruf hatte, aber ihre Gattung war eindeutig in der Minderheit. So boten sich Sahara unzählige Möglichkeiten, mit Leuten zu tun zu haben, die nicht in Silentium lebten. Am liebsten mochte sie ein Menschenmädchen, das begnadet Klavier spielte. Magdalena konnte so hingebungsvoll spielen, dass man Noten und Takt vollkommen vergaß.
    Sie hatte auch einen Klassenkameraden, der Gestaltwandler war und Dinge auf dem Sportplatz vollbrachte, die eigentlich unmöglich waren. Sahara besaß zwar einen scharfen Intellekt und war den anderen in ihrem Wissen weit voraus, doch sie konnte weder Musik machen, bei der die Seele sang, noch sich mit der selbstverständlichen Anmut eines Gestaltwandlers bewegen. Doch das alles spielt keine Rolle, wenn sie tanzte. Tanzen war wie Fliegen.
    So war sie an jenem Tag, als sie von der Schule nach Hause ging – defekt und glücklich und klug genug zu wissen, dass Intelligenz nicht alles war. Sie bog von der Straße ab auf einen Weg durch einen ruhigen Park. Hier traf sie nicht auf andere Schüler, nur die Vögel sangen, und die Sonne schien. Sahara hatte keine Sorgen, fühlte sich vollkommen sicher und war ziemlich aufgeregt.
    Sehr, sehr aufgeregt!
    Die Erinnerung schwand, doch ein Stück blieb, das alle Zweifel an ihrer geistigen Gesundheit zerstreute. Die Beziehung zwischen Kaleb und ihr mochte zwar eine dunkle Seite haben, doch

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