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Geheimnisvolle Beruehrung

Geheimnisvolle Beruehrung

Titel: Geheimnisvolle Beruehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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verschlossen hatte.
    So kam niemand außer ihr an diese Erinnerungen heran, konnte niemand zerstören, was für sie wertvoll war. Doch hätte Kaleb sie nie gefunden, wären sie sich nie mehr begegnet, wäre dieser Teil für sie für immer verloren gewesen. Ein hohes Risiko, nur dem festen Glauben verdankt, der sie sieben höllische Jahre hatte überstehen lassen.
    Ich komme, Sahara! Halte durch! Tu es für mich!
    Es würde Tage, vielleicht sogar Wochen dauern, bis alle Stücke geordnet waren, rekonstruiert, was verloren gegangen war, doch eine Erinnerung war ganz deutlich: ein jüngerer Kaleb – siebzehn oder achtzehn vielleicht – mit blutender Nase und fest zusammengebissenen Zähnen, in dessen Augen Äderchen barsten und aus dessen Ohren Blut tropfte.
    »Ich weiß, dass die Bestie dir wehgetan hat«, sagte sie zornig. »Das habe ich immer gewusst.« Das Wissen war so lebendig, dass sie sich gar nicht mehr vorstellen konnte, wie sie es so lange hatte unterdrücken können. »Ich wusste auch, dass du nicht darüber sprechen durftest.« Sein Versuch, es dennoch zu tun, hatte zu einer schmerzhaften Bestrafung geführt, die schwarzen Augen in Blut getränkt. »Kannst du jetzt meine Frage beantworten?«
    Kaleb wandte sich ab und trat hinaus auf die Plattform. Frühnebel stieg von unten auf und verschwand zwischen den Bäumen. Das weiche Licht gab der Umgebung einen Hauch von Unwirklichkeit, wie ein Traum, der sich an den Rändern auflöste und in dem das einzig Klare der scharfkantige Obsidianblick des Mannes war, der reglos ins Graue starrte.
    Sein Schweigen dauerte so lange, dass die flüsternden Geräusche des Waldes sie in einen Kokon hüllten, als würde die Welt den Atem anhalten, und sie wären die einzigen Lebewesen.
    »Männer werden üblicherweise nicht vergewaltigt«, sagte Kaleb schließlich mit tonloser Stimme und bewegungslos wie Stein.
    Unbändiger Zorn wallte in ihr auf. »Das hat er getan?« Nein, oh nein, nicht Kaleb. Es hätte ihn zerstört, dermaßen verletzt und erniedrigt zu werden.
    »Nicht so, wie allgemein angenommen«, sagte Kaleb in demselben toten Ton, den sie vorher noch nie bei ihm gehört hatte. »Er hatte kein Interesse daran, seinen Körper durch einen solch primitiven Akt zu beschmutzen.«
    Doch Santano Enrique war ein Kardinalmedialer auf der Höhe seiner Kraft gewesen und Kaleb nur ein kleiner Junge. »Er hat seine Fähigkeiten genutzt, dir Gewalt anzutun«, sagte sie und hielt nur mit größter Willensanstrengung ihren Zorn in Schach.
    »Ja.« So klirrend kalt, dass die Einsamkeit laut darin hallte. »Er war in mir Tag und Nacht. Ich konnte nie flüchten, wusste nie, wann er tiefer in mein Bewusstsein eindringen und mich zwingen würde, Dinge zu tun, während ich noch verzweifelt versuchte, in meinem Kopf einen Ausweg aus diesem Wahnsinn zu finden.«
    Sahara dachte an die schreckliche Situation, als man ihre Schilde weggerissen hatte, und stellte sich vor, wie es für ein Kind gewesen sein musste, das kein Labyrinth hatte, in das es sich zurückziehen konnte … ohne Hoffnung auf Hilfe. Sie hatte immer gewusst, dass jemand kommen würde, obwohl sie den Namen verborgen hatte, um ihn zu schützen. Kaleb hatte nichts und niemanden gehabt, um sich festzuhalten. Seine Eltern hatten ihn im Stich gelassen.
    Ihr Hass auf sie brannte kalt, sie nahm Kalebs Hand.
    Seine Finger griffen nicht zu, seine Augen waren tot, blickten stumpf und schwarz ins Nichts. »Lange Zeit war ich sein einziges Publikum. Das erste Mal fand etwa vier Monate nach meinem siebten Geburtstag statt – ein verspätetes Geschenk, nannte er es.«
    Sahara biss sich auf die Unterlippe. Sie hatte es gewusst. In dem Augenblick, als sie gelesen hatte, was Santano Enrique getan hatte, hatte es ein Teil von ihr gewusst, doch sie war nicht in der Lage gewesen, sich dem Wissen zu stellen.
    »Damals war ich noch nicht stark.« Wieder die tote Stimme. »Ich ging … weg, aber er hat mich zurückgeholt. Santano hat mich immer wieder zurückgeholt.«
    Beinahe starr vor Entsetzen öffnete sie den Mund, doch Kaleb fuhr fort, ehe sie etwas sagen konnte. »Ich konnte ihn nicht töten, konnte ihn auch nicht aufhalten. Ganz egal, wie stark ich auch wurde, ich konnte ihn nie aufhalten.« Nun kam der Zorn, scharf und tödlich wie eine Klinge, über Jahrzehnte gewachsen. »Ich musste zuschauen, wenn er seinen Opfern die Kehle durchschnitt, nachdem er sie über Stunden und Tage gequält hatte. In den letzten Jahren gefiel es ihm, mir die

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