Geheimnisvolle Beruehrung
widerlichen Taten telepathisch zu senden. Das war seine Art, mir zu sagen, dass ich ihn zwar inzwischen aus meinem Verstand ausschließen konnte, ihm aber nie entkommen würde oder die Zwänge ablegen könnte, die er mir eingepflanzt hatte. Ich war ein mächtiger Geschäftsmann, ein gefürchteter Kardinalmedialer, und konnte dennoch nicht darüber sprechen, was er tat, und noch weniger die Hand gegen ihn erheben.«
Das war das Letzte, was er ihm angetan hatte. Das Schlimmste. Selbst das niedrigste Tier konnte zurückschlagen, auch wenn sein Gegner noch so groß war.
»Erst nach seinem Tod konnte ich den Zwang ablegen – erst da entdeckte ich, dass er noch einen weiteren Zugang zu meinem Bewusstsein hatte, eine kleine Tür, um nur eine einzige Sache zu tun, um den Zwang aufrechterhalten, seine Geheimnisse zu bewahren und ihn nicht anzugreifen.« Tiefer, reinster Zorn. »Selbst als ich dachte, ich sei endlich frei, saß er noch immer in mir.«
Schmerz und Wut kämpften in ihr, sie verschränkte ihre Finger mit seinen und stellte sich vor ihn. »Es tut mir so leid, Kaleb.« Worte waren nicht genug und würden nie genug sein angesichts dessen, was er durchgemacht hatte.
»Das muss es nicht.« Ganz ruhig, doch noch immer erwiderte er den Druck ihrer Hand nicht. »Er hat mich zu dem gemacht, was ich bin.«
Furcht verdrängte alle anderen Empfindungen. »Du bist nicht seine Kreatur. Du hast dich selbst erschaffen.« Er antwortete nicht, und sie war nicht sicher, ob er sie überhaupt gehört hatte. »Kaleb.«
»Als ich sechzehn wurde, beschloss er, die Zeit sei gekommen, mich zum Mann zu machen.« An die Stelle des Zorns war eine tiefschwarze Kälte getreten, die noch schlimmer als das Eis und viel gefährlicher als der Obsidian war. »Sein Opfer war ein Gestaltwandlerschwan und nur ein paar Jahre älter als ich. Ihr Haar war weiß wie Schnee – als ich ihr den Hals aufschlitzte, färbte das Blut es scharlachrot.«
Saharas Herz klopfte wie wild, sie weinte innerlich, konnte aber nicht zulassen, dass er erreichte, was er wollte. Sie ließ die leblosen Finger los und umfing Kalebs Wangen mit beiden Händen. »Hast du aus freiem Willen das Messer an ihre Kehle gesetzt?«
Das Dunkle in ihm überzog die Augen mit einem stumpfen Schleier, vereiste die Haut. »Was spielt das für eine Rolle? Ich habe sie getötet, obwohl sie um ihr Leben flehte.«
»Natürlich spielt es eine Rolle«, flüsterte sie und hielt den Mann fest, der in sich nur die Bestie sah. »Eine sehr große Rolle sogar.«
Als Antwort präsentierte Kaleb ihr ein weiteres Furcht einflößendes Bild der Bosheit Enriques. »Seit meinem dritten Lebensjahr hatte Santano freien Zugang zu mir, meine Schilde entwickelten sich gerade erst. Er hatte viel Zeit, Hintertüren und Schalter einzubauen. In jener Nacht griff er in meinem Kopf und … nahm alles in Beschlag, vergewisserte sich aber, dass ich wach genug blieb, um mitzuerleben, was er tat.« Eisige Leere. »Es bereitete ihm eine kranke Freude, dass ich innerlich schrie, während er das Messer immer wieder in ihren Leib stieß.«
»Genug«, rief Sahara, die Angst hatte, Kaleb könnte weggleiten, wie er es als Kind getan hatte. »Komm zu mir zurück.« Sie blinzelte die Tränen fort und sah ihn weiter an. »Das warst du nicht, und das weißt du auch. Gedankenkontrolle fesselt Willen und Wollen.« Das Opfer wurde zu einer Marionette aus Fleisch und Blut.
Kaleb senkte die Lider und öffnete sie wieder. Nichts hatte sich geändert, immer noch war er unter dem Blut einer unschuldigen Frau begraben, die nicht gewusst hatte, dass der Junge vor ihr auch nur ein Opfer war und nicht ihr Mörder.
»Nein«, sagte Sahara, stellte sich auf Zehenspitzen und küsste ihn.
Kaleb hatte immer auf sie reagiert, doch nun war es anders. Seine Lippen blieben kalt, seine Hände regten sich nicht. Sie wollte den Sieg nicht einem vielfachen Mörder überlassen, der hoffentlich in der Hölle schmorte, legte Kaleb die Hand um den Hals, streichelte mit der anderen seine Wange und küsste ihn einladend und verführerisch.
Komm zurück,
telepathierte sie.
Ich brauche dich.
Seine Hände strichen über ihre Hüften, fuhren über ihren Rücken. Dann spürte sie Finger in ihrem Haar und unter dem Pullover auf der Haut. Ein Kuss, der kein Ende nahm, Körper, die sich hungrig aneinanderpressten.
Ohne die Lippen von ihr zu lösen, hob Kaleb sie hoch und trug sie hinein. Weich war die Decke, auf die er sie legte, hart und schwer sein
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