Geheimnisvolle Palmblätter: Ist unser Leben Schicksal oder Zufall, Karma oder Chaos? (German Edition)
ist. Dann sind die unbegreiflichen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten, welche die Welt revolutionieren und das Leben eines jeden Menschen erfüllen, mit der Vorstellung eines gerechten und gütigen Gottes voll und ganz zu vereinbaren. Dann hat der Mensch nicht umsonst Verstand, Denkfähigkeit und Logik vom Schöpfer erhalten. Nur so werden diese menschlichen Fähigkeiten nicht wieder vergewaltigt und ausgeschaltet, indem dem Menschen zugemutet wird, sich in einem blinden, kritiklosen Glauben eines Fürwahrhaltens auf Gnade oder Ungnade einem irgendwann und irgendwo abzuhaltenden `Jüngsten Gericht' zu unterwerfen, um für dasjenige, was in der sehr kurzen Zeitlichkeit nur eines Erdenlebens getan wurde, zur ewigen Seligkeit oder ewigen Verdammnis verurteilt zu werden.
Wie sinnlos erscheint die westliche Auffassung von dem einmaligen Leben, das eine Ewigkeit bestimmen soll, doch vor allem, wenn ein unmündiges, aber getauftes Kind oder gar ein als Idiot Geborener stirbt. Unter dem Aspekt der wiederholten Erdenleben und dem des Karmagesetzes werden die dem westlichen Menschen so unheimliche Ruhe, die Zeitlosigkeit und die so ganz andere Einstellung des östlichen Menschen gegenüber dem Tode erst verständlich. Diese uralte Lehre vom Stufenwege der menschlichen Entwicklung, richtig durchdacht, könnte auch dem westlichen Menschen Licht in die verwirrenden Dschungel seines Lebensrätsels bringen und ihm manche Bürde abnehmen, mit der er sich heute in seiner dunklen Daseinsangst abplagt. Zudem ist diese alte Weisheit keineswegs auf den Osten beschränkt, sondern Allgemeingut esoterischer Erkenntnis und deshalb ebenso Grundlage der alten wie der modernen abendländischen Geisteswissenschaft.
Das Schicksal kann, richtig betrachtet, als ein Weg zur Menschwerdung aufgefaßt werden. Das auf uns zukommende Böse als eine Herausforderung an das Gute in uns zu betrachten, heißt, das Böse nicht zu vermehren.
Es gehört mit zum Schicksal unserer Seele, unseres Ich, nach dem Tode dasjenige anschauen zu müssen, was wir dann an unserem verflossenen Leben nicht mehr ändern können.
Jeder Untergang in der äußeren Welt ist eine Gelegenheit zu einem Aufgang in der inneren Welt.“
(Die Zitate sind aus den Tagebuchaufzeichnungen von etwa 1938, die unter dem Titel Der Atem Indiens erschienen, siehe Literaturhinweise.)
Das Thema Karma läßt sich an dieser Stelle selbstverständlich nicht erschöpfend behandeln. Sant Kirpal Singh hat ein wunderbares Buch darüber geschrieben, das Sie in den Literaturhinweisen finden. Wir werden diesem Konzept auf den folgenden Seiten immer wieder begegnen.
Ein anderer Ansatz
Vielleicht sollten wir einen Schritt zurückgehen und zu unterscheiden versuchen zwischen dem, was festgelegt ist oder zu sein scheint und der überlegung, warum etwas vorausbestimmt sein könnte. Dabei soll die Karmalehre und die Möglichkeit der Reinkarnation zunächst keine Rolle spielen.
Unabhängig von Glauben oder Weltanschauung: welche Gemeinsamkeiten können wir in unserer Auffassung feststellen über das Maß der Vorherbestimmung des Menschen durch unbeeinflußbare Faktoren und den vorhandenen Spielraum für das, was wir den freien Willen nennen mögen?
Was wird bereits mit der Geburt bestimmt?
Ich will eine Reihe offensichtlicher Faktoren einfach einmal aufzählen, bei denen vermutlich alle Menschen übereinstimmen, daß sie mit unserer Geburt unabänderlich und dem „freien Willen“ unzugänglich bestimmt sind: Geschlecht, Augenfarbe, der genetisch bedingte Körperbau, also Größe, Konstitution und so fort sind festgelegt.
Die Familie, die Sprache, die sozialen Umstände und das kulturelle Umfeld, zumindest der ersten Lebensjahre, bis eine freie Entscheidung eine andere Umgebung sucht oder schafft, unterliegen mit der Geburt ebenfalls nicht (mehr?) einer Wahlmöglichkeit.
Außer genetisch-biologischen vorgeburtlichen Prägungen und sozio-kulturellen nachgeburtlichen Persönlichkeitseinflüssen können wir auch an seelisch wirksame Urbilder denken, die sogenannten Archetypen, und an Ideen und Gefühlsweisen, an Gedankenmuster und Reaktionen, die sich daraus ergeben. Auf die mitunter sehr spürbare Existenz solcher Urbilder hatte der schweizer Psychologe Carl Gustav Jung bekanntlich als erster öffentlich hingewiesen. Er stellte das Vorhandensein eines „kollektiven Unbewußten“ fest, das sich aus diesen überpersönlichen Urbildern speist. Der amerikanische Mythenforscher Joseph Campbell, die schweizer
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