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Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Titel: Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Hooper
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Beale niedergeschlagen und seine ganzen Schnürsenkel gestohlen, und gestern stürzte er mitten auf der Straße und wäre um ein Haar von einem Omnibus überfahren worden. Nun sind wir bereits drei Wochen mit unserer Miete im Rückstand, und auch wenn Mrs   Macready eine herzensgute Frau ist, können wir es nicht ertragen, bei irgendjemandem in der Schuld zu stehen.«
    Grace drückte der alten Dame mitfühlend die Hand.
    »Ist es denn wirklich so schlimm in diesen Häusern?«, fragte Mrs   Beale. »Man hört ja solche Geschichten. Du warst doch in einem Heim, nicht wahr?«
    Grace nickte. »Ich denke, sie sind wohl alle ganz unterschiedlich«, antwortete sie diplomatisch. »Im ersten Heim, wo wir waren, einem Waisenhaus, war man sehr freundlich zu uns. Wir konnten unser Hab und Gut behalten, und es gab immer genügend zu essen.«
    »Ja, aber – verzeih, wenn ich so direkt frage – weshalb seid ihr dann dort weggegangen?«
    »Wir wurden von dort in eine Ausbildungsanstalt für junge Mädchen geschickt, und erst dort war es so   … « Grace schluckte, gegen den bitteren Geschmack in ihrer Kehle ankämpfend. »Dort hat es uns nicht gefallen.«
    »Darf ich vielleicht fragen, warum?«, entgegnete Mrs   Beale.
    Grace schauderte und schien erneut das Gewicht des Mannes zu spüren, der sich auf sie kniete und sie niederdrückte. Sie holte tief Luft. »Es   … es gab dort einen Mann, der sich mir gegenüber nicht anständig benahm«, sagte sie schließlich, und ihre Stimme war dabei kaum mehr als ein Flüstern.
    »Oh!« Mrs   Beales pergamentartige Wangen wurden tiefrot, und sie wechselte hastig das Thema. »Verzeih, liebes Kind, aber wann war es gleich noch mal, dass deine arme Mutter starb?«
    »Vor beinahe zehn Jahren«, antwortete Grace.
    »Und es gab keine anderen Verwandten, die euch hätten aufnehmen können? Was war denn mit eurem Vater?«
    Grace schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht viel über meinen Vater oder seine Familie«, sagte sie. »Als er und Mama heirateten, waren beide Familien gegen die Verbindung, und zwei Jahre danach, als Lily gerade ein Jahr alt war und Mama noch gar nicht wusste, dass sie mit mir schwanger war, brach Vaternach Australien auf, um dort sein Vermögen zu machen.«
    »Eure arme Mutter! Ohne einen Beschützer dazustehen.«
    Grace nickte. »Sie zog uns mit einer kleinen Erbschaft von ihren Großeltern auf und brachte mir schon früh Lesen und Schreiben bei, in der Hoffnung, dass ich eines Tages eine gute Partie machen und Lily bei mir behalten würde.« Ein verlegenes Lächeln huschte über ihr Gesicht, weil ihr nur allzu bewusst war, dass man in Seven Dials wahrlich keine gute Partie machen konnte, sondern ein Mädchen hier schon froh sein konnte, wenn es einen Straßenhändler mit eigenem Karren heiraten durfte. »Ich begann eine Ausbildung als Lehrerin und Lily sollte Hauswirtschaft lernen, doch dann mussten wir plötzlich fortgehen   … « Grace brach abrupt ab.
    »Und wann war das?«
    »Vor   … vor etwa neun Monaten.«
    »Neun Monate«, wiederholte Mrs   Beale, und sofern sie die naheliegende Verbindung herstellte, besaß sie genügend Taktgefühl, es nicht auszusprechen. »Und von eurem Vater habt ihr nie wieder ein Wort gehört?«
    »Nein.« Grace schüttelte den Kopf. »Mama sagte immer, dass Seereisen sehr gefährlich seien und dass er womöglich zugrunde gegangen war, aber vielleicht liebte er Mama einfach nicht genug, um zurückzukommen.«
    Mrs   Beale drückte ihre Hand. »Armes Kind. Ganz bestimmt hat ein anderer Umstand seine Rückkehr aus Übersee verhindert.«
    »Mag sein.« Grace lächelte schwach. »Aber es tut mir so leid, dass Sie ins Arbeitshaus gehen müssen.«
    »Wir wollen das ja beide nicht, aber noch so einen Winter wie den letzten würde Mr   Beale nicht überstehen. Das Leben wird immer härter, je älter man wird, weißt du.«
    Grace nickte, und während sie der alten Dame noch alles Gute wünschte, ging ihr durch den Sinn, dass ihr Leben jetzt schon so viel härter zu werden schien. Das Kressegeschäft lag noch immer am Boden, vor allem, seit Gerüchte kursierten, einige der größeren Bäche, an denen die Kresse angebaut wurde, wären verschmutzt und würden die Cholera bergen. Jeden Tag kam Grace mit unverkaufter Kresse nach Hause und musste manchmal den ganzen Tag kämpfen, um wenigstens sechs Sträußchen davon loszuwerden. Lily hatte es zuerst mit dem Verkauf von Kämmen versucht, dann von Streichhölzern, doch während Graces scheues,

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