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Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Titel: Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Hooper
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Frage, welches das umfangreichste – und
modischste
– Bekleidungssortiment und die aristokratischste Kundschaft besaß. Wenn sich von Zeit zu Zeit ein Lord, eine Lady oder ein entferntes Mitglied der Königsfamilie an eines der beiden Kaufhäuser wandte, löste es damit immer automatisch bei dem anderen großen Groll aus.
    Grace stellte fest, dass sie sich auf den vorübergehenden Wechsel an einen neuen Arbeitsplatz freute, denn ihr Dasein als Sargbegleiterin war sie allmählich leid: ständig mit gramverzehrtem Gesicht und halb blind umherzugehen und die Menschen nur durch einen schwarzen Schleier zu sehen. Obendrein sahen Kaufhäuser so verlockend aus. Sie war oft genug an welchen vorbeigeschlendert, hatte sich jedoch noch nie in eines hineingewagt, da an den Eingängen streng blickende, uniformierte Männer standen, und wenn man arm oder sonst irgendwie unzulänglich aussah, machten sie einem die Tür nicht auf und versuchten einen mit drohenden Blicken oder Rufen wie »Verschwinde!« zu verscheuchen. Kaufhäuser waren für den niederen Adel gedacht, nicht für Grace und ihresgleichen.
    Am folgenden Morgen marschierten zwölf Angestellte des Unwin-Bestattungsunternehmens, angeführt von Mr   George Unwin, in Zweierreihe von der Edgeware Road zum Oxford Circus. Als sie um sieben Uhr dort eintrafen, wartete bereits, wie von Mr   Unwin vorhergesagt, eine Schlange von Kunden vor der Tür. Ein Großteil von ihnen waren Diener und Kammermädchen, die von ihren Herrschaften Einkaufslisten mitbekommen hatten oder eine Notiz mit der Bitte, ein Schneider des Kaufhauses möge sich persönlich mit den Herrschaften in Verbindung setzen.
    Als die Zweierreihe an den riesigen, mit Gaslampen beleuchteten Schaufenstern vorbeizog, bestauntendie Angestellten die Schaufensterpuppen, die die neueste Trauermode trugen und in verschiedenen, beiläufig wirkenden Situationen arrangiert waren. Eine Puppe stieg gerade anmutig eine Treppe herab, eine andere blickte kummervoll durch ein offenes Fenster, eine dritte las, vor einem Kaminfeuer sitzend, einen Abschiedsbrief. Jede der Schaufensterszenen erzählte eine eigene Geschichte, stellte Grace bewundernd fest. Die Unwin-Mitarbeiter gingen an dem Geschäft vorbei, bogen in eine Seitengasse und betraten das Kaufhaus durch einen Personaleingang auf der Rückseite. Die Räumlichkeiten hier hinten waren recht schäbig, führten jedoch direkt in den Laden selbst, wo die Neuankömmlinge mit ehrfürchtigem Staunen die weichen Tapeten und Vorhänge, die vielen Gaslampen, die dicken Teppiche und die überall sichtbare Opulenz betrachteten. Sogar ein Flügel stand unweit vom Haupteingang, auf dem besinnliche Musik erklingen sollte, um den Kummer der Kundschaft zu lindern.
    Das hieß es also, reich zu sein, ging es Grace durch den Sinn, als sie sich umblickte. Nicht nur Essen und eine Unterkunft zu haben, sondern obendrein mit luxuriösem Staat und einer Fülle von Besitztümern zu leben, und so viele Kleider sein Eigen zu nennen, wie man wollte,   … durch Geschäfte wie dieses hier zu schlendern und einfach auf Sachen zu deuten, woraufhin das Kammermädchen losrannte, um sie zu erstehen.
    Mr   Sylvester Unwin war von seinem Cousin unterrichtet worden, dass Grace Parkes, die Schwester der kostbareren Lily, vorübergehend im Kaufhaus mitarbeiten würde, doch das hatte diesen keinen Moment lang beunruhigt. Der geplante Betrug an den Parkes war für ihn eine separate Sache. Außerdem sagte er sich, dass die Unwins den beiden Schwestern (die vermutlich beide nicht besonders helle waren) sowieso schon einen gewaltigen Gefallen taten, indem sie sie bei sich anstellten und ihnen eine Bleibe boten. Was für ein Leben hätten sie denn sonst zu erwarten gehabt? Wie wären sie mit so einem Vermögen umgegangen? Früher oder später hätte es ihnen ja doch jemand abgeknöpft. Da war es doch besser, sie wussten von vornherein nichts von ihrem Besitz. Und so redete er sich sein Gewissen rein.
    Bevor das Kaufhaus seine Türen öffnete, stand Mr   Sylvester Unwin auf halber Höhe der breiten, geschwungenen Treppe, die zur Abteilung Schuhe und Accessoires hinaufführte, und ließ den Blick zufrieden über sein altes und neues Personal schweifen. Die Arbeiter aus dem Geschäft seines Cousins würden natürlich nicht selbstständig Kunden bedienen, durften sich aber nützlich machen, indem sie den Kundinnen versicherten, wie wunderbar ihnen ein Kleidungsstück stand, Bahnen von braunem Packpapier abrissen,

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