Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition)

Titel: Geheimnisvolles Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Hooper
Vom Netzwerk:
Päckchen verschnürten und Rechnungen und Quittungen von und zu den Kassen trugen. Und die Kassen klingelten von morgens bis abends, dachte erselbstzufrieden. Noch nie hatten sie einen solchen Ansturm erlebt. Natürlich war es schlimm, dass Prinz Albert in der Blüte seines Lebens hingerafft worden war, aber zumindest was den Besitzer von Londons erstem Trauerbekleidungshaus und seinen Cousin anging, hatte das auch seine guten Seiten.
    Sylvester Unwin wartete, bis unter den unten Stehenden vollkommene Stille eingekehrt war, wünschte dann allen hochtrabend einen guten Morgen und verkündete, dass er ein paar wichtige Dinge zu sagen hätte, vor allem den Neuankömmlingen.
    »Es ist eine noble und ehrenwerte Aufgabe, jemandem in seiner Stunde der Not und Verzweiflung Trost und Linderung spenden zu können«, hob er an. »Prinz Albert war ein von allen geliebtes Mitglied unserer königlichen Familie, und indem sein Land angemessen trauert, bekundet es ihm seinen Respekt und hilft unserer Königin durch ihre dunkelste Stunde. Zögert daher nicht, zu diesem Zweck einer Kundin die eine oder andere kleine Extraverzierung zu ihrer Trauerkleidung anzuempfehlen, als besonderen Ausdruck ihrer persönlichen Anteilnahme. Wenn ein Herr ein schwarzes Hutband für seinen Zylinder wünscht, schlagt ihm dazu noch schwarze Handschuhe oder Gamaschen vor. Wenn eine Dame Handschuhe verlangt, bietet ihr zusätzlich einen Schleier, einen Trauerring aus Gagat oder einen schwarzen Hut an.«
    Er räusperte sich. »Wenn ihr auf diese Dinge hinweist,vergesst nicht, zu erwähnen, dass Trauerbekleidung nach dem Todesfall nicht über längere Zeit aufgehoben werden soll, denn der Brauch sagt – und wer wären wir, um da zu widersprechen?   –, dass es Unglück bringt, Trauerkleider für den nächsten Todesfall aufzubewahren.«
    Grace erschrak über das, was sie da hörte – wo doch halb London kaum das nötige Geld hatte, sich das nächste Essen zu leisten, ganz zu schweigen von einer neuen Garnitur Trauerkleidung jedes Mal, wenn ein Familienmitglied starb! Zum ersten Mal betrachtete sie ihren neuen Arbeitgeber mit voller Aufmerksamkeit und sah einen Mann in schwarzem Frack und Schuhen, die wie dunkles Glas glänzten, einem Hemd, das so schneeweiß war, dass es direkt von der Näherin kommen musste, und schwarzen, butterweichen Lederhandschuhen. Sylvester Unwin bildete sich einiges auf seine äußere Erscheinung ein.
    »Selbstverständlich«, fuhr er fort, »wird nicht jeder, der in den nächsten Tagen unser Geschäft betritt, sich für das Gedenken an Prinz Albert einkleiden wollen. Manche werden einen Trauerfall in der eigenen Familie haben. Für diesen Fall denkt daran: Den Angehörigen zu modischer Volltrauerbekleidung zu verhelfen, erlaubt ihnen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, und lindert ihren Schmerz. Bei meiner Wohltätigkeitsarbeit werde ich oft gebeten, verwitweten Damen beizustehen, und betone dann immer wieder, dass sie es dem glorreichen Andenken an ihrenverstorbenen Gatten schuldig sind, sich in die besten Trauerkleider zu hüllen, die sie sich leisten können.«
    In diesem Stil ging es noch eine Weile weiter, doch Grace fiel es schwer, sich auf Mr   Unwins Worte zu konzentrieren. Da war etwas an seiner Erscheinung, das ihr aufstieß, das ihr fast widerwärtig war, doch sie konnte den Finger nicht darauf legen, was es war. Erneut betrachtete sie ihn aufmerksam, fand jedoch nichts Auffälliges. An der Oberfläche sah er absolut respektabel aus. Lag es dann vielleicht an seiner Haltung, oder war es etwas in seinem Gesicht mit der geröteten Portwein-Nase oder einfach nur seine ölige Art und die vielen scheinheiligen Hinweise auf seine wohltätige Arbeit, die ihn ihr so zuwider machten?
    Plötzlich klatschte Mr   Unwin mitten im Satz in die Hände und deutete auf Grace.
    »Du da! Was habe ich gerade gesagt?«
    Grace lief feuerrot an und schüttelte den Kopf, um zu sagen, dass sie es nicht wüsste, woraufhin Mr   Unwin seinerseits in einer Parodie ihrer Geste den Kopf schüttelte. Das festangestellte Personal quittierte es mit Gelächter.
    »Ist das deine Antwort, wenn meine Kunden dich etwas fragen – einfach den Kopf zu schütteln?«, fragte Mr   Unwin. Genüsslich die Situation auskostend, kam er die Treppe herunter und blieb vor ihr stehen. »Kannst du auch nicken?«
    Die unmittelbare Nähe zu Mr   Unwin empfand Grace beinahe als erdrückend: sein massiger Körper,die physische Kraft, ein süßlich scharfer

Weitere Kostenlose Bücher