Geheimnummer. Kein Sex nach Plan
Wasser ins Gesicht und spülte meinen Mund aus.
Chris hatte sich wieder zu meiner Mutter gesellt, als ich aus dem Badezimmer kam. »Ich wusste doch, dass es dir nicht gutgeht. Hast du Fieber?« Sie wollte mir die Hand auf die Stirn legen, aber ich ging einfach weiter. »Karina, was ist denn?«
Genervt blieb ich stehen. »Mama, es ist nichts. Ich habe eine Erkältung, sonst nichts. Ich schreibe Tim einfach einen Zettel, und dann könnt ihr beide in Ruhe weiter eure Hochzeit planen, okay?«
Ich stürmte in Tims Zimmer und warf die Tür hinter mir zu. Jetzt war ich sogar froh, dass er nicht da war. Der Tag entwickelte sich nicht gerade vielversprechend, und nach diesem Schock konnte ich keine schlechten Nachrichten mehr verkraften. Vorsichtig schaute ich mich um. In seinem Zimmer hatte sich nichts verändert. Mir standen schon wieder Tränen in den Augen, als ich die Fotos von uns immer noch am Kopfende seines Bettes kleben sah. Ich existierte also doch noch in seinem Leben. Wenigstens als Foto.
Ich zwang mich dazu, nicht weiter in seinem Zimmer nach Hinweisen zu suchen, die mir Aufschluss über den Stand unserer Beziehung geben könnten, als ich ungewollt einen Hinweis entdeckte, der mehr als aufschlussreich war. Ich suchte einfach nur nach einem Zettel für meine Nachricht und fand stattdessen eine Nachricht von Tina. Meine Mutter hatte offenbar einen Anruf von ihr entgegengenommen und ihn sorgfältig, wie sie nun mal war, notiert. Tina lässt fragen, ob sie ein Einzel- oder Doppelzimmer reservieren soll. Ruf sie doch bitte so bald wie möglich zurück. Selbst Tinas Nummer hatte meine Mutter in ihrer Gründlichkeit aufgeschrieben. Ich las den Zettel mehrmals hintereinander, aber es gab keinen Zweifel. Tina und Tim trafen sich heimlich. Ganz klassisch. In Hotelzimmern. Wo auch sonst? Bei Tina war es zu gefährlich, jetzt, da Aygün wieder da war. Und hier mussten sie jederzeit damit rechnen, Chris oder meiner Mutter über den Weg zu laufen. Die beiden hatten mich von vorne bis hinten belogen. Natürlich war in dieser Nacht zwischen ihnen etwas passiert. Wer würde sich so eine Gelegenheit auch schon entgehen lassen? Tina bestimmt nicht, dafür fand sie Tim viel zu attraktiv. Und Tim brauchte man anscheinend nur ein paar Bier in die Hand zu drücken, und schon hatte er Blut geleckt, von anderen Sachen mal ganz abgesehen. Alles ergab plötzlich einen Sinn. Tims Trennung auf Zeit, weil ich keinen Verdacht schöpfen sollte. Tinas übertriebenes Mitleid und ihre täglichen Anrufe, die ihr ein Alibi verschaffen sollten, während sie hinter meinem Rücken eine geheime Nummer mit meinem Freund schob. Nur hatte Tina nicht mit der notorischen Angewohnheit meiner Mutter gerechnet, Telefonanrufe zu notieren. Wahrscheinlich wühlten sie sich jetzt gerade durch die Laken irgendeines schäbigen Hotelzimmers.
Für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich das Bedürfnis, den Schreibtisch leerzufegen und Tims Zimmer zu verwüsten, aber dann hielt ich es keinen Moment länger in dieser Wohnung aus. Diese ganze Heuchelei. Alle hier waren so verdammt falsch. Ich wollte nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Ich verließ die Wohnung, ohne mich zu verabschieden.
Verkehrte Welt
Benommen setzte ich mich ins Auto und blieb eine Weile hinterm Steuer sitzen, ohne loszufahren. Ich hatte also bald meine Ex-Affäre zum Stiefvater, dem ich rechtzeitig zur Hochzeit mit meiner Mutter einen Enkel von seinem besten Freund servierte, der allerdings keinen blassen Schimmer von seinem Baby hatte, weil er sich mit meiner besten Freundin durch diverse Hotelzimmerbettlaken wühlte. Erfolg auf der ganzen Linie.
Ich startete den Wagen. Ohne weiter darüber nachzudenken, fuhr ich nach Hamburg, um Tim endlich den Grund nachzuliefern, für den er mich so scheinheilig verlassen hatte.
Inzwischen regnete es in Strömen. Es war fast so, als hätte der Himmel das Heulen für mich übernommen. Ich konnte kaum schneller als achtzig fahren und kam erst spät am Abend in Hamburg an. Als ich meinen Wagen endlich in eine viel zu kleine Parklücke vor Daniels Wohnung gequetscht hatte, wusste ich nicht mal mehr, warum ich überhaupt hergekommen war. Wen wollte ich damit bestrafen? Und wer würde es überhaupt erfahren? Wie kindisch, es Tim mit einer »Gegenaffäre« heimzahlen zu wollen. Vollkommen lächerlich.
Trotzdem stieg ich aus, weil ich Hunger hatte und dringend aufs Klo musste. Als ich bei Daniel klingelte, bildete ich mir ein, einem ganz normalen Freund einen ganz
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