Geheimnummer. Kein Sex nach Plan
normalen Besuch abzustatten. Wenn er nicht da war, würde ich gleich wieder zurückfahren, und wenn er da war, plauderten wir eben ein bisschen und ich fuhr danach wieder zurück. Warum auch nicht? Schließlich war es nichts Ungewöhnliches, bei strömendem Regen mal eben vierhundertfünfzig Kilometer hin- und wieder zurückzufahren, nur um aufs Klo zu gehen und dabei einen Freund zu treffen, den man ganze zwei mal gesehen hatte. Es summte. Ich drückte die schwere Tür auf, stieg schwer atmend in den fünften Stock, und als Daniel mich zur Begrüßung überschwenglich umarmte, wusste ich, dass es kein normaler Besuch war und dass ich heute Nacht auch nicht mehr zurückfahren würde.
Daniel schien sich über meinen Besuch kein bisschen zu wundern und tat meine Beteuerungen, dass ich gerade beruflich in der Stadt war und nur mal eben vorbeischauen wollte, mit einem Kopfnicken ab. Er war viel zu glücklich, mich nach seinem peinlichen Auftritt in meiner Küche noch einmal wiederzusehen, als dass er darüber nachdenken konnte, was ich an einem Sonntagabend denn beruflich in dieser Stadt zu tun haben könnte. Der Form halber schlug ich vor, essen zu gehen, aber Daniel bestand darauf, selbst zu kochen. Sozusagen als Gegenleistung für meinen Nudel-Tomatenmark-Eintopf. Mir war es nur recht. Nach der langen Fahrt hatte ich keine Lust, mich noch einmal vor die Tür zu bewegen. Im Grunde hatte ich keine Lust, mich heute überhaupt noch einmal zu bewegen, und wäre am liebsten gleich ins Bett gegangen. Aber das hätte Daniel vielleicht etwas überrumpelt.
Vielleicht auch nicht – denn nach einer leckeren Lasagne, zwei Portionen Mousse au Chocolat und einem winzigen Schluck Rotwein, den ich mir heute gönnte, waren wir genau da angekommen. Und ich konnte zu meiner Entlastung sagen, dass der erste Schritt nicht einmal von mir ausgegangen war. Der letzte Schritt möglicherweise, aber nicht der erste.
Ich hatte Daniel dabei zugeschaut, wie er die Lasagne vorbereitete. Männer, die kochten, hatten für mich schon immer etwas sehr Verführerisches. Besonders wenn sie Ahnung davon hatten und jeder Handgriff saß. Ich musste ihnen beim Kochen nur auf die Hände schauen, und schon spürte ich ein leichtes Kribbeln im Bauch. Daniel hatte große, aber feingliedrige Hände, die mit der Zaghaftigkeit eines genauen, aber nicht sehr geübten Kochs die Zutaten vorbereiteten. Es war sicherlich keine große Kunst, Lasagneplatten übereinanderzustapeln und Hackfleisch anzubraten, aber es reichte, um mich zu beeindrucken. Bei der Mousse au Chocolat durfte ich das Pulver in die Schüssel schütten, während Daniel rührte – etwas Sinnlicheres konnte ich mir kaum vorstellen. Spätestens als wir aßen und Daniel mich mit vollem Mund über den romantischen mittelalterlichen Kerzenständer hinweg angrinste, wusste ich, dass auch er nur noch auf den richtigen Moment wartete. Und der war eine Stunde später gekommen. Ich bestand darauf, zum Dank für das üppige Mahl etwas Ordnung in seine winzige Küche zu bringen, und spülte, während Daniel mit einem Glas Rotwein in der Hand neben mir stand und zusah. Es war eine absurde Verführungsszene. Natürlich waren die Küchenschränke für mich zu hoch angebracht, und ich hielt ihm auffordernd die Teller hin. Aber anstatt sie mir abzunehmen, hob er mich hoch, damit ich die Teller selbst wegstellen konnte. Er hatte immer noch seine Hände auf meinen Hüften, als ich wieder auf dem Boden stand, und ich brauchte mich nur noch zu ihm umzudrehen.
Wir überließen den Abwasch sich selbst und knutschten uns quer durch die Wohnung bis zu seinem Bett. Plötzlich war alles ganz einfach, fast befreiend. Ein One-Night-Stand, vielleicht eine kurze Affäre, war in dieser verfahrenen Situation genau das Richtige.
Dachte ich. Aber Daniel sah das anders. Es war einer dieser Momente, in denen ich den neuen, sensiblen Mann verfluchte. Denn Daniel hörte genau in dem Moment auf, als ich richtig anfangen wollte. Ich knöpfte seine Jeans auf, aber er hielt meine Hand fest.
»Warte, Karina, nicht jetzt.«
Ich sah ihn verständnislos an. Er führte meine Hand zu seinem Mund und küsste meine Finger.
Dann sagte er: »Ich kann jetzt nicht mit dir schlafen.«
»Meinst du körperlich? Oder moralisch?«, fragte ich irritiert.
Daniel musste lachen. »Keine Sorge, da unten funktioniert noch alles einwandfrei. Aber ich finde, es wäre falsch, jetzt, so schnell.«
Ich überlegte, was denn sonst der Sinn dieser ganzen Übung
Weitere Kostenlose Bücher