Geheimorder Riesenauge
aufkommen konnte.
Auf diesem Weg etwa verlief mein Gedankengang. Er war ohne Zweifel logisch. Aber auch ich empfand bis zu einem gewissen Grade die Furcht, die die andern beseelte: Was, wenn wir den Löwen losließen und er sich bei der nächsten Begegnung als mächtiger erwies?
Von neuem umgab mich das Getöse am Hofe des Tumadschin Khan – rollende Kugeln, die in wahnwitzigem Tempo einander jagten, ein brummender Saurier, der von Zeit zu Zeit unter sie fuhr, mit riesigen Pranken eine von ihnen aufhob und in die Luft schleuderte, um sie mit einer anderen Pranke sicher und behutsam wieder aufzufangen, Fanfarenbläser, einäugige Riesen, die reglos dastanden und weiter nichts zu tun hatten, als drohend und unnahbar auszusehen, Gaukler, die die unglaublichsten Kunststücke verrichteten, und bezaubernd schöne Frauen, die sich in exotischen Windungen ihres Körpers zu einer Musik verrenkten, die bei dem allgemeinen Lärm niemand mehr hören konnte.
Wie war mir das alles zuwider! Wie war mir vor allen Dingen zuwider, daß ausgerechnet ich die Rolle des Tumadschin Khan zu spielen hatte! Am Anfang hatte ich Spaß daran gehabt – gerade soviel Spaß, wie ein seiner Verantwortung bewußter Mensch an einer Rolle haben kann, von der, wie er weiß, das Überleben der Menschheit abhängt. In der Zwischenzeit jedoch hatte ich angefangen, Tumadschin Khan zu hassen, und nichts wünschte ich sehnlicher herbei als den Augenblick, in dem ich nicht nur diese lächerliche Gala-Uniform, sondern mit ihr die ganze Rolle ablegen, in eine Ecke werfen und vergessen konnte.
Auf dem Wege zu meinem schwebenden Arbeitstisch – das war das einzige Privileg, das ich mir vorbehalten hatte: ich ging , man brauchte mich nicht zu tragen! – kam ich an einer dunkelhaarigen, schwarzhaarigen Schönheit vorbei, die sich besondere Mühe gab, dem mächtigen Herrscher zu gefallen. Sie verharrte in spagatähnlicher Haltung, den Kopf nach hinten geneigt. Ich beug te mich zu ihr hinab und flüsterte:
»Heute abend um acht, Liebling. Joey’s Bar, Ecke Achte Stra ße und Zweite Avenue!«
Das brachte sie auf die Beine. Sie warf mir einen giftigen Blick zu, lief davon und verschwand in der Menge der Mittänzerinnen. Wer mochte wissen: eines Tages würden unser aller Nerven weniger angespannt sein, und ich würde mich wirklich mit ihr in Joey’s Bar verabreden – wo immer auch Joey seine Bar haben mochte.
Ich stieg über die unsichtbaren Stufen der Feldtreppe hinauf zu dem thronähnlichen Sitz hinter dem riesigen Arbeitstisch. Von neuem ertönten Fanfarenklänge: der Herrscher hatte Platz genommen. Vor mir über der ausladenden Fläche des Tischs schwebten, materiefrei und schwerelos, die leuchtenden Energieringe der Inter- und Radiokom-Mikrophone. Ich tippte einen der leuchtenden Ringe an und schob ihn so zurecht, daß er in die Nähe meines Mundes gelangte.
»Hier spricht Tumadschin Khan«, sagte ich. Meine Stimme fuhr donnernd durch den weiten Raum und brachte im Nu alle Aktivität der Gaukler und Zauberer, Saurier und Liliputaner zum Erlöschen. »Führt die Gefangenen vor!«
Nun traten die Fanfarenbläser wieder in Aktion. Mit schmetternden Klängen begleiteten sie das Öffnen des Portals. Zunächst erschien eine Gruppe von Marsrobotern. Hinter diesen schritten die Gefangenen – beileibe nicht alle, sondern nur die Dreizehn Brutwächter, unter ihnen Nanuku-Vjat, der sich inzwischen von Allisons mörderischem Schlag wieder einigermaßen erholt zu haben schien – und den Gefangenen wiederum folgte eine Abordnung meiner Zyklopengarde, angeführt von dem Oberzyklopen Boris Petronko.
Als die Kolonne sich
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