Geheimorder Riesenauge
hinaus aller Sorgen ledig.«
Anne war so überrascht darüber, daß Hannibal ihre Frage ernst nahm, daß ihr für den Augenblick keine passende Erwiderung einfiel. Mit Unterstützung heischendem Lächeln blickte sie mich an. Aber bevor ich mich einmischen konnte, übernahm ein anderer den Angriff auf Hannibals simplizistischen Plan.
»Genau für wie viele Jahre, wenn ich fragen darf, Major?« ließ Kenji Nishimura sich mit sanfter Stimme und der traditionellen Höflichkeit seines Volkes vernehmen.
Die Frage brachte Hannibal einigermaßen aus dem Gleichgewicht.
»Woher soll ich das wissen? Vier, fünf, vielleicht sechs oder sieben.«
»Und wie weit, glauben Sie, werden wir mit der Beherrschung der marsianischen Technik bis dahin gekommen sein? Denn Sie und ich sind uns gewiß darüber im klaren, daß wir einen Angriff der Orghs nur dann erfolgreich abzuwehren hoffen können, wenn uns die Technik der alten Marsbewohner in vollem Umfang zur Verfügung steht, nicht wahr?«
Hannibal war mit seiner Logik ins Schwimmen geraten, das sah man ihm an.
»Wie soll ich wissen, wie lange es bei den Orghs dauert, eine neue funktionsfähige Regierung zu schaffen? So stur, wie sie sind, brauchen sie vielleicht zwanzig, vielleicht fünfzig Jahre, bis ihr Staatswesen wieder reibungslos funktioniert.«
»Vielleicht«, wiederholte Nishimura mit seltsamer Betonung. »Vielleicht aber auch nur zwei. Und was dann, Major Utan?«
Hannibal wedelte mit den großen Händen, um seine Verlegenheit zu verbergen.
»Nun, dann müssen wir uns eben etwas anderes einfallen lassen«, meinte er.
»Eben«, mischte ich mich ein. »Darum sind wir hier. Die Orghs sind geschockt, aber ich glaube nicht, daß es sich um einen Schock von Dauer handelt. Wir haben den Rat der Dreizehn Brutwächter gefangengesetzt. Solange wir die Leute gefangenhalten, wird sich an der Lage auf Ghostly Castle nichts ändern. Wenigstens nicht im Laufe der nächsten Wochen oder Monate. Ich bin fest davon überzeugt, daß wir, wenn wir einen bleibenden Eindruck hinterlassen wollen, genau das tun müssen, was unserer Sicherheit auf den ersten Blick am abträglichsten zu sein scheint.«
Sie sahen mich alle erstaunt an. Nur Allison grinste und meinte:
»Die Brutwächter freilassen, meinen Sie … oder nicht?«
»Genau das meine ich!« bestätigte ich. »Ich kenne Ihre Einwände. Die Brutwächter sind noch immer nicht besiegt. Sie haben Nanuku-Vjats Auftritt nicht vergessen. Obwohl der Vierte Brutwächter sich zum Schluß beugen mußte, hatte er etwas erreicht, was zuvor von noch keinem anderen Orgh erreicht worden war: er hatte den allmächtigen Tumadschin Khan in Verlegenheit gebracht. An diesem Beispiel werden die Brutwächter sich aufrichten. Sie werden von neuem versuchen, uns an den Kragen zu gehen. Wir werden sie uns von neuem vom Halse halten müssen. Und dann, wenn uns das gelungen ist, dann bin ich bereit zu glauben, daß die Orghs eingesehen haben, daß es sich nicht lohnt, sich gegen die Macht Tumadschin Khans zu stemmen – und noch viel weniger gegen die noch viel größere Macht des Reiches, dessen Regierung ihren Sitz auf der Erde hat.«
Diese Besprechung wurde zu der längsten, die ich je an Bord der BAPURA erlebt hatte. Aber zum Schluß schwenkten alle, sogar Hannibal, auf meine Denkweise ein. Wir hatten den Löwen besiegt und gefangen. Aber das Besiegen und die Gefangennahme waren nicht so vor sich gegangen, daß sich der Löwe von nun an für alle Zeiten unterlegen fühlen mußte. Es blieb uns nur eine Möglichkeit: wir mußten den Löwen loslassen und es riskieren, daß er uns noch einmal angriff. Und dann, wenn wir ihn noch einmal besiegt hatten, dann endlich würde er einsehen, daß er gegen uns nicht
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