Gehetzt - Thriller
deshalb habt ihr eine Bank überfallen?«
»Damit hatte ich nichts zu tun. Es gab einen kleinen Kern von Hardlinern. Die meisten von uns hatten keine Ahnung, was da abging.«
»Da war der Staatsanwalt wohl anderer Meinung.«
»Mag sein. Viel leicht war er auch nur scharf da rauf, befördert zu werden.«
»Eine ziemlich abgebrühte Taktik, um nach oben zu kommen, was?«
»Ja«, entgeg nete Gail. »Fast so abgebrüht wie die Typen, die dich in den Bau gebracht haben.«
Diane sagte nichts mehr. Der blaue Himmel erstreckte sich, so weit ihr Auge reichte. Nur hoch über dem fernen Horizont hingen ein paar vereinzelte schneeweiße Schäfchenwolken. Eine war bei nahe wie ein Ka ninchen geformt, dessen Beine mitten im Sprung erstarrt waren.
»Was ist eigentlich los? Traust du mir plötzlich nicht mehr?«
»Ich bin nur nervös«, entgegnete Diane. »Ich kenne diese Leute schließlich nicht. Niemanden von den Leuten, die uns helfen. Oder besser gesagt, die dir helfen. Ich komme mir allmählich
vor wie ein Haustier, weißt du, als ob du niemanden gefunden hättest, der auf mich aufpasst, und mich deshalb überallhin mitschleppen musst.«
»Das ist doch Quatsch, und das weißt du auch.« Gail grübelte darüber nach, wie sie das ge meint hatte. Warum Diane für sie mehr war als ein Anhängsel. Doch wenn sie Bilanz zog und über ihre derzeitigen und auch die kurz zurückliegenden Lebensumstände sowie über ihre Zukunftsaussichten nachdachte, war Diane für sie die beste Freundin der Welt. Jetzt, in diesem Augenblick jedenfalls. Es war eine reine Zufallsfreundschaft oder -partnerschaft oder was auch im mer. Doch das er klärte nicht, was sie fühl te, wenn sie da ran dachte, dass Diane irgendeine Dummheit begehen könnte, wie zurück nach Texas zu gehen und diesen Kretins gegenüberzutreten - wer auch immer sie waren -, die sie sich einfach nicht aus dem Kopf schlagen konnte.
»Weißt du, woran ich bei dem Anschlag in Oklahoma City denken musste?«
Diane warf kurz den Kopf herum und sah sie fragend an, dann richtete sie ihren Blick wieder auf die Straße.
»Ich meine nach dem anfänglichen Schock und dem lähmenden Entsetzen. Später, als die Spurenanalytiker mit ihrer end losen Arbeit be gan nen. Als be kannt wurde, wo raus die Bombe zusammengebaut war. Dass sie aus einem gängigen Kunstdünger hergestellt war.«
»Du meinst, wie einfach es ist, selber eine Bombe zu basteln?«
»Das auch, ja«, entgegnete Gail. »Aber was ich mich vor allem immer wieder gefragt habe, ist, wa rum wir unsere Felder mit potenziellem Sprengstoff düngen.«
»Sieh dir das an«, sagte Diane und deutete auf einen gewaltigen Mähdrescher in der Mitte eines riesigen Feldes, ein gigantisches grünes mechanisches Monster, das eine Schneise
durch eine lange Reihe fräste, eine von Hunderten, wenn nicht Tausenden von Reihen, die sich bis zum Horizont erstreckten. »Da liegt deine Antwort. Die Farmen, an denen wir hier vorbeifahren, sind keine kleinen Höfe in Familienbesitz. Es sind Megafarmen, die irgendwelchen Kapitalgesellschaften gehören. Und die tun alles, um Kosten einzusparen und die Gewinne zu maximieren. So einfach ist das.« Diane nickte in Richtung Mähdrescher. »So ein Ding würde man doch eher auf einer Mondexpedition erwarten.«
Gail nickte.
»Die Führerhäuser dieser Monstermaschinen sind heutzutage klimatisiert und mit Hi-Fi-Anlagen ausgestattet.«
»Wo würdest du leben wollen, wenn du die Wahl hättest?«
Diane dachte kurz nach. »Vielleicht irgendwo in den Tropen. Hawaii zum Beispiel. Irgendwo, wo es warm ist. Oder vielleicht in Arizona. Keine Ahnung. Hast du vor, in Oklahoma zu bleiben?«
»Weiß ich noch nicht. Mir ist nur wichtig, an einem Ort zu landen, an dem ich mich schließlich und endlich sicher fühlen kann.«
»Du machst Witze, oder?«
»Überhaupt nicht. Ich hoffe wirklich, dass ich irgendwann zur Ruhe kommen kann, wenn Gras über alles gewachsen ist. Ich habe jede Menge nachzuholen. Im Augenblick weiß ich nur, dass sich alles verändert hat. Die Welt hier draußen ist eine komplett andere als da mals, als ich in den Knast gewandert bin. Und ich möchte leben. Ich will mein Leben leben. Für mich ist es, als hätte ich eine zweite Chance bekommen, und ich möchte etwas daraus machen. Ich möchte ein erfülltes Leben leben. Ich möchte ler nen und die Welt erkunden und gute, verlässliche Freunde finden.«
»Das klingt wie ein Werbeslogan für ein College oder fürs Militär.«
Gail schwieg eine
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