Gehetzt - Thriller
kleinen Lichtschnörkeln, wann immer ein Fisch oder eine Schild kröte an die Oberfläche kam. Diane roch die Hitze, die so gar so lange nach Sonnenuntergang noch aus dem grünen Frühlingsgras aufstieg.
Dann sah sie eine Bewegung. Oder dachte, sie sähe eine Bewegung. Im nächsten Moment wusste sie, dass sie eine Bewegung sah. Jemand rannte über die Straße, etwa sieben Meter vor ihr, genau da, wo eine schmale Waldstraße zu der Stelle führte, an der die Jugendlichen der Stadt sich gern trafen und herumknutschten, ein bisschen Gras rauchten und ein paar Biere kippten. Um diese Zeit allerdings waren normalerweise auch die letzten verschwunden und hinterließen ein Trümmerfeld
leerer, zerquetschter Aluminiumdosen, die den spärlichen Rasen und den staubigen Erdboden unter dem Dach der Eichen übersäten. Vielleicht waren es ein paar Unersättliche, die noch immer feierten.
Diane schaltete die Scheinwerfer ein und erhaschte die Gestalt genau in dem Augenblick, als sie im Un terholz verschwand. Gleichzeitig erinnerte eine Stim me in ihrem Kopf sie eindringlich daran, dass sie sich außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs befand. Ignoriere, was auch immer hier los ist, und sieh zu, dass du deinen Arsch schleunigst dahin zurückbeförderst, wo er hingehört. Aber irgendetwas stimmte hier nicht, die wegrennende Gestalt war kein Teenager gewesen. Sie speicherte die Details automatisch ab: weißer Mann, Mitte dreißig, durchschnittlich gebaut, vielleicht eins achtzig groß. Braunes Haar. Bart. Bluejeans, dunkelblaues T-Shirt. Seine Schuhe hatte sie nicht gesehen. In so etwas war sie gut, das wusste sie. Ihre Ausbilder an der Polizeischule waren von ihrer guten Beobachtungsgabe und ihrem Gedächtnis mehr als beeindruckt gewesen. Und obwohl sie von ihren ausschließlich männlichen Klassenkameraden ausgelacht worden war, als sie beim Trainieren von Hausdurchsuchungen vor der Klasse behauptet hatte, dass auch Intuition eine Rolle spielen könne, regte sich jetzt bei ihr genau dieses Gefühl: Intuition. Und sie hatte kein gutes Gefühl.
Diane fuhr langsam die schmale Waldstraße entlang und hielt nach weiterer Bewegung Ausschau, nach Licht, nach was auch immer. Als sie auf dem sandigen Weg um eine Kurve bog, er fassten ihre Schein wer fer eine nied rige Eiche unweit der Waldstraße.
Unter dem Baum war ein Körper.
Sie sprang so fort mit ge zogenem Revolver aus dem Auto, suchte die Gegend ab, hatte ihr Funkgerät in der Hand und forderte Verstärkung an, schnell. Sie sprach leise, ruhig, eindringlich.
Scheiße. Es war eine Leiche. Mausetot. Scheiße. Sie durfte eigentlich gar nicht hier sein.
Ein Teenager. Er lehnte an der Eiche, als ob er sich ein bisschen im Schatten ausruhe. Sein Mund war mit Klebeband zugeklebt. Seine Hände lagen gefaltet im Schoß. Er trug eine Sonnenbrille. Sein Brustkorb war blutverschmiert, aus den Schnittwunden in seiner Brust sickerte noch immer Blut und durchtränkte den Stoff seines dünnen Baumwoll-T-Shirts.
Diane hörte statisches Rauschen und registrierte, dass die Leitstelle sie anfunkte und von ihr verlangte zu bestätigen, dass ihr Standort tatsächlich das Nordende des Lake Bolton war. Mist. Sie platz te heraus: »Ja, okay, ich be finde mich außerhalb meines Bereichs.«
»Zwei-vierzig«, wiederholte die Stimme aus der Leitstelle. »Bitte wiederholen Sie. Die Verbindung ist schlecht.«
»Schicken Sie mir, verdammt noch mal, sofort Verstärkung! Außerdem einen Krankenwagen und die Spurensicherung! Verstanden? Herrgott noch mal! Ans Nordende des Lake Bolton. Ich schalte meine Scheinwerfer an. Und informieren Sie das Büro des Sheriffs!«
Die Stimme der Beamtin in der Leitstelle knarzte in die Nacht, Diane hörte ein paar Gesprächsfetzen, als die Beamtin alle Einheiten aufforderte, sich auf ih ren Funkruf zu melden, dann war Stille. Und dann, drüben bei ihrem Steifenwagen, ein kurzes Knacken, als ob je mand auf ei nen trockenen Ast getreten wäre. Adrenalin schoss ihr bis in die Fingerspitzen. Diane drehte sich um, den Revolver nahe am Körper zum Himmel gerichtet, und sah einen Mann auf den Fahrersitz ihres Streifenwagens rutschen. Verdammt! Sie duckte sich, rannte los und suchte Schutz hinter einem Baum. Dort hängte sie ihr Funkgerät an den Gürtel, nahm ihre Kel-Lite-Taschenlampe aus der Schlaufe und spähte um den Baum. Dann hielt sie die Taschenlampe um den Stamm herum und knipste sie
an. Der Strahl warf einen zylindrischen Lichtkegel durch die Nacht und erfasste ein
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