Gehetzt - Thriller
wollen und ei nen falschen Nerv getroffen hatte. Sie setzte sich auf, fasste um sich herum und rück te ihren Revolver wieder zurecht.
»Los, Diane«, sagte sie, »erheb deinen Hintern, und geh wei ter.« Doch sie blieb sitzen. Sie war unfähig, sich zu bewegen.
Und dann hörte sie ein schlagendes Geräusch in der Luft. Ein durchdringendes Rat-tat-tat, das ihre Gedanken durcheinanderwirbelte und ihre Beine aufspringen und loslaufen ließ. Sie jagte auf die Eichen zu, hoffte, sie zu erreichen, bevor sie von den Suchscheinwerfern des Hubschraubers erfasst wurde. Er kam immer näher, durchschnitt die Dunkelheit, kreiste in ei nem großen Bogen über dem Feld. Die Scheinwerfer strichen über den Boden und jagten sie, auch wenn die Besatzung des Hubschraubers es noch nicht wuss te. Sie rannte.
Sie sah über ihre Schulter; das Ding kam immer näher, war gerade noch fünfzehn Meter hinter ihr, wäh rend sie das Letzte aus sich herausholte, das, was sie für ihre eigene Grenze hielt, überschritt, sich durch Schmerz quälte und weiter, bis sie den Schmerz nicht mehr spürte. Ihr Körper rannte so schnell, dass ihr Geist kaum mitkam. Das Licht, das Licht, die riesigen Rotorblätter des Hubschraubers schlugen mit gottverdammter Effizienz durch die Luft, und er war jetzt laut und ganz nah, zu nah. Sie sah hoch, sah ihn schwarz und bedrohlich am Himmel hängen wie eine gigantische Riesenwanze, mit sei nen gewölbten glasigen Augen und dem Licht kegel des Scheinwerfers, der über den Boden strich, über die Erde, das Gras und das Unkraut leckte. Und dann sah sie erneut hoch, stolperte, fiel hart hin, sprang so fort wie der auf, krabbelte auf allen vieren weiter, während sie versuchte, das Gleichgewicht wiederzufinden, richtete sich auf, rannte wieder los, fand ihr Lauftempo. Der Lichtkegel kam immer näher, sodass sie nicht mehr hinsehen konnte. Sie konnte nur noch rennen, das Letzte aus sich herausholen, rennen, rennen und noch mehr rennen, sich einfach vorwärtsbewegen, alles geben, wirklich alles, und dann stolperte sie, fiel hart auf den Boden, die Luft wich aus ihren Lungen, ihr Körper verkrampfte, schaffte es nicht mehr, die Luft einzusaugen, die sie so dringend benötigte. Und von irgendwo sah sie Licht,
das auf sie zukam, über den Boden kroch, bereit, sie in seine Hitze und sei nen grellen Schein zu tauchen. Sie ließ den Kopf auf den Boden sinken, roch die trockene Erde und das verbrannte Unkraut, sie atmete jetzt wieder, schnappte nach Luft, schloss die Augen und wartete auf das Licht.
Sie wusste nicht, ob sie es zuerst hörte oder zuerst realisierte, dass der Lichtkegel sie nicht gefunden hatte. Das kontinuierliche, unerträgliche Schlagen der Rotorenblätter entfernte sich von ihr. Es war im mer noch nah und im mer noch laut, aber es bewegte sich von ihr weg. Sie öffnete die Augen und lag reglos in der Dunkelheit.
Der Hubschrauber hatte nach rechts abgedreht und steuerte diagonal über das Feld.
Sie setzte sich auf. Dann hievte sie sich auf die Beine, wankend wie ein benebelter Betrunkener. Sie kämpfte dagegen an, sich wieder auf den Boden sinken zu lassen, ging ein paar Schritte und fing erneut an zu laufen, beinahe zu rennen. Sie hielt nicht an. Sie rannte.
Vor ihr leuchtete Dallas in der Nacht, Glas und Spiegel, Spiegel und Dunst. Der Lärm des Hubschraubers wurde leiser, nicht viel, aber erkennbar, während er über dem Feld kreiste.
Vor ihr fiel das Gelände ab, und sie kletterte hinunter zum Ufer eines trockenen Flusses und patschte durch das bemitleidenswerte, nur ein paar Zentimeter breite Rinnsal, das sich durch die Mitte des breiten, flachen Flussbetts zog. Auf der anderen Seite kraxelte sie ein Stück wieder hoch, suchte in der roten Erde Halt, und auf einmal taten sich keine zehn Meter von ihr entfernt drei perfekte, nahezu weiße, nebeneinanderliegende runde Öffnungen vor ihr auf. Drei riesige Betonrohre, die sie einluden, in ihnen Zuflucht vor den Scheinwerfern des Hubschraubers zu suchen. Sie hatte keine Ahnung, wohin sie führten, aber bestimmt endeten sie irgendwo
unter den Bürgersteigen von Dallas. Entwässerungskanäle für die Straßengullys, die sich im Frühling füllten, wenn der Regen kam und die heftigen Gewitter in weniger als einer Stunde Tausende von Litern Wasser auf die Straßen herabregnen ließen.
Diane krabbelte weiter hinauf, um nach dem Hubschrauber zu sehen, und sah seinen Schein im Zickzack über das Feld fegen und im Kegel des Suchscheinwerfers: Gail. Gail, die so
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