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Gehetzt - Thriller

Titel: Gehetzt - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Wozencraft Baerbel Arnold Velten Arnold
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rannte, wie Diane selber gerannt war, die verzweifelt rannte, obwohl sie am Ende ihrer Kräfte war und eigentlich nicht mehr konnte, angetrieben nur noch von ihrer Willenskraft.
    »Schaff es«, flüsterte Diane. »Bitte, lieber Gott, lass sie entkommen.« Irgendetwas blieb ihr im Hals stecken, ein Schrei. Sie musste sich mit aller Kraft zusammenreißen zu bleiben, wo sie war, sich nicht zu rühren, denn alles in ihr drängte sie, zu Gail zu laufen und sie in die Sicherheit der dunklen Röhre zu ziehen.
    Dann schwenkte der Scheinwerfer plötzlich abrupt nach rechts, ließ Gail in die Dunkelheit wanken, und im nächsten Moment sah Diane, was die Aufmerksamkeit der Hubschrauberbesatzung erregt hatte. Es war Tom, der irgendetwas in den Himmel schrie und dabei gestikulierte wie ein Psychopath. Er schrie und wedelte mit den Ar men. Diane konnte nicht verstehen, was er rief, sie konnte kaum seine Mundbewegungen ausmachen, aber er schrie ihnen etwas zu, das konnte sie klar erkennen. Und schließlich erkannte sie, was er da mit den Händen und Armen tat, was all dieses verrückte Winken zu bedeuten hatte: Er zeigte ihnen den Stinkefinger.
    Diane rutschte auf dem Hosenboden die Böschung zurück zum Flussbett hinunter, rannte gebückt zu den Betonröhren und lief in die ers te hinein, deren Umfang so groß war, dass sie sich nicht einmal bücken musste. Nach etwa sechs Metern hielt sie an. Ihre Atemgeräusche hallten in dem Tunnel wider,
ein ersticktes, schnaufendes Keuchen, das schmerzend in ihrer Luftröhre kratzte.
    Vor ihr erstreckte sich absolute Dunkelheit. Sie hielt sich eine Hand vors Gesicht, nah genug, um die Erde auf ihren Handflächen riechen zu können, doch sie konnte sie nicht sehen. Sie spürte, dass ihr Schweiß übers Gesicht rann und aus sämtlichen Poren troff. Diane drehte sich um und sah zurück Richtung Eingang. In der Ferne schimmerte ein Kreis blauschwarzes Nachtlicht. Sie konnte nicht tiefer in die Röhre hineingehen, zumindest nicht vor Tagesanbruch, und selbst bei Tageslicht war es fraglich, ob sie ohne irgendeine Art Licht in dem Tunnel vorankommen konnte.
    Sie ließ sich gegen die harte Betonwölbung fallen und sackte in die Hocke. Ihre Füße standen am Rand des dünnen Rinnsals Wasser, das in der Mitte des Tunnels dahinfloss. Sie beugte sich vor, legte die Arme auf ihre Knie und den Kopf auf die Arme. Sie war ohne Unterlass gerannt. Ihr ganzes Leben lang.
    Diane lehnte den Kopf gegen die Betonwand, hob die Arme, legte sie sich über den Kopf und verharrte so, bis sie nicht mehr aus der Puste war. Dann legte sie die Arme wieder auf die Knie. Allmählich wurde ihr Steißbein von dem harten Beton taub. Sie roch Feuchtigkeit, einen leicht sumpfigen Geruch, der von dem langsam fließenden Wasser herrührte, das wahrscheinlich milchig grün war.
    Es war ihr egal, wie unbequem es war, es war bequem genug.
    Sie konnte sich nicht bewegen. Sie konnte ihren Körper nicht dazu bringen, mehr zu tun, als in Reglosigkeit zu verharren. Den Blutkreislauf aufrechtzuerhalten und ein- und auszuatmen, um ihre geschwollenen Lungen mit Luft zu versorgen. Sie war unfähig zu denken, konnte in ihrem Kopf keine Worte finden. Sie war ein fach nur da, eine Kreatur in einer Welt aus hartem weißem Stein und nahezu absoluter Finsternis.

    Diane wusste nicht, wie viel oder wie wenig Zeit verrann. Zeit war ir relevant, eine Größe für Mathematiker und Wissenschaftler. Wen kümmerte die Zeit?
    Und dann hörte sie Schritte, leise, schnelle Schritte, die sich in den Tunnel hineinbewegten.
    Sie rührte sich, die Schritte hielten inne.
    Das erstickte Geräusch mit aller Kraft angehaltenen schweren Atmens. Aber nicht von einem großen oder schweren Menschen, es war kein Mann. Das war ausgeschlossen.
    Ein Kiesel oder etwas in der Art, irgendein kleiner Stein, prallte gegen die Betonwand und rollte ins Wasser, das Geräusch wurde durch das Echo verstärkt. Und dann ein Flüstern.
    »Diane?«
    Diane räusperte sich, sagte aber nichts. Es war Gail.
    »Diane, ich bin’s. Alles in Ordnung.« Gail ließ ihrer Atmung jetzt freien Lauf, wobei sie die Luft so kraftvoll ausatmete, wie sie es auf der Gefängnislaufbahn immer nach ihrem Zweihundertmetersprint am Ende ihres über mehrere Kilometer gehenden Laufs getan hatte. Diane erkannte sie an ihrer Atmung.
    »Alles in Ordnung«, wiederholte Gail. »Ich bin dir in die Röhre gefolgt. Ich habe dich rein laufen sehen. Ich habe sie abgeschüttelt. Wir sind in Sicherheit.«
    Diane saß

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