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Gehetzt - Thriller

Titel: Gehetzt - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Wozencraft Baerbel Arnold Velten Arnold
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egal. Sie wusste, wie man Zeit absaß, und es würde nicht lange dauern, bis sie selber im Todestrakt landen würde. Wenn sie das Urteil nicht anfocht, konnte sie die Welt locker in weniger als zwei Jahren verlassen haben. Und wenn sie das Urteil doch anfocht, auch gut, dann würde vielleicht endlich irgendjemand aufhorchen. Ihr Gehör schenken. Eins war klar: Sie hatte nichts zu verlieren. Sie hatten ihr nicht geglaubt, sie hatten ihr ihre Ehre genommen, ihren Job, ihren Partner, und sie hatten ihren Namen mit Dreck besudelt. Sie hatten ihr alles genommen. Und sie waren Mörder. Nur dass sie nicht den Mumm hatten, es selbst zu tun. Sie missbrauchten den Staatsapparat für ihr schmutziges Geschäft.
    Diane spürte, wie sich Wut in ihr aufbaute. Sie saß reglos am Steuer und lenkte den Wagen den schnurgeraden Highway entlang und spürte es in ih rem Inneren, es trieb sie zur Weißglut und ließ sie gleichzeitig frös teln. Ja, dachte sie. Gail hatte recht ge habt. Ich hätte dieses Ding in der Jagd hütte nie aufheben sollen. Ich hätte es da liegen lassen sollen, wo ich es gefunden habe. Sie langte hinter sich und tät schelte den Griff des Revolvers, nur um sich zu vergewissern, dass er real war, dass er da war. Er war da. Sie spürte eine Energie in sich aufsteigen, die ihrer Wut entsprang, aus der Tiefe ihres Bauches aufstieg, ein Kribbeln, das ihre Wirbelsäule hinaufkroch in ihr Gehirn und sich in ihren Gliedmaßen verzweigte. Es war das gleiche Ge fühl - wenn auch gleichzeitig ganz anders -, das sie immer verspürt hatte, wenn sie mitten in der Nacht die unverschlossene Tür eines Lagerhauses entdeckt und gewusst hatte, dass sich da drin nen höchstwahrscheinlich Einbrecher befanden und es an ihr war, sie zu fassen. Es war das Gefühl,
das sie überkam, wenn Gefahr drohte. Das Bewusstsein, dass Gefahr in Verzug war. Was sie jedoch durcheinanderbrachte, war, dass das Ge fühl diesmal nicht von ei nem äußeren Ereignis verursacht wurde. Es kam direkt aus ihrem Bauch, strömte durch sie hindurch und nahm ganz von ihr Besitz. Und es brachte sie über die Wut hinweg und katapultierte sie auf die andere Seite der Gefühlsskala. Im nächsten Moment wurde sie von einer Ruhe erfasst, die sie noch nie in ihrem Leben gespürt hatte. Vollkommene, absolute Ruhe. Sie wusste es jetzt. Dass sie sie töten konnte.
     
    Gail saß auf dem Bett und starrte auf die Nachricht:
    Hallo. Tut mir leid, dass ich auf dem Blatt hier keine großen Erklärungen abgeben kann. Ich muss erledigen, wovon ich dir erzählt habe, und alles geradebiegen, was auch immer das heißt. Ich nehme mein Handy mit, falls du mich erreichen musst oder willst, aber ich ziehe dich da nicht mit hi nein. Danke für die viele Hilfe und dafür, dass du mir die aufrichtigste Freundin warst, die ich je hatte. Ich wünsche dir alles Gute und werde dich nie vergessen. Liebe Grüße, D.
     
    P.S. Ich gebe den Wagen zurück, sobald ich alles erledigt habe.
    Es war beschissen. Sie war verrückt. Diane war verrückt, und Gail musste sich da mit abfinden. Und sich so fern wie möglich von ihr halten. Aber zuallererst musste sie so schnell wie möglich aus diesem verdammten Motel verschwinden. Irgendwohin, wo Diane sie nicht finden oder jemandem erzählen konnte, wo sie war.
    Die aufrichtigste Freundin, die Diane je gehabt hatte? Das
klang, als ob sie verdammt einsam gewesen wäre. Oder vielleicht auch nicht. Gail versuchte, sich darüber klarzuwerden, wie es um sie selber bestellt war. Wie sie mit je mandem klarkommen würde, der nicht im Gefängnis gesessen hatte. Das war es. Es veränderte einen für immer. Die physische Beschränktheit des Eingesperrtseins sorgte für eine mentale Erweiterung; sie öffnete dir innere Horizonte, machte Dinge für dich sichtbar, die zwar überall existent waren, dem naiven Auge jedoch verborgen blieben. Und niemand, der nicht gesessen hatte, konnte das verstehen, jedenfalls nicht richtig. Sie begriff, was Diane in ih rer Nachricht hatte sagen wollen. Sie waren für immer Freundinnen, und zwar auf eine Art, wie keine von ihnen jemals mit jemand anderem befreundet sein konnte, der nicht eingesperrt gewesen war.
    Und jetzt hatte Diane sich ausgeklinkt. War auf eigene Faust losgezogen, bevor sie so weit war, und mit Sicherheit auf dem Weg, sich mehr aufzuladen, als sie bewältigen konnte. Gail ließ sich aufs Bett fallen. Sie fühlte sich, wie sich in ihrer Vorstellung eine Mutter fühlen musste, wenn sie entdeckt, dass ihre pubertierende

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