Gehetzt
und die andere Uferböschung hinunter. Unten beschrieb Barnes eine weite Kehre, stoppte Bert parallel zum Kanal, stellte den Motor ab und kletterte eilig aus dem Fahrerabteil.
»Ich dachte schon, wir blieben da oben hängen. Noch nichts von der Kolonne in Sicht? Sehr gut. Kommen Sie herunter, Colburn, und helfen Sie mir mit dieser verdammten Kiste hier.«
Der Sergeant warf einen Blick auf die Uhr. 3.40 Uhr. Noch zwanzig Minuten bis zum Punkt Null.
Der Boden hinter dem Kanal war fest und sicher, es gab kein Moor, das sie aufhielt, obwohl links von ihnen das Land unter Wasser stand. Der Tank rumpelte vorwärts, Barnes hockte auf seinem niedrigen Fahrersitz. Das Luk über ihm war geschlossen. Er fuhr den gleichen Weg, den er mit Jacques gegangen war. Die nächsten zwanzig Minuten würden entscheiden, ob die 14. Panzerdivision das ahnungslose Dünkirchen überrollte oder ob sie den Deutschen einen solchen Schlag versetzen konnten, daß eine Offensive unmöglich wurde.
»Ich glaube, da ist die Kanalunterführung«, sagte Colburn.
Diese Unterführung war das Ziel ihres ›Ausflugs‹. Colburn hatte das Unternehmen so bezeichnet, ehe Barnes mit Jacques zu ihrem Erkundungsgang aufgebrochen war. Dabei war zwar Reynolds auf der Strecke geblieben, doch ohne diese Patrouille hätten sie ihr Ziel niemals erreicht. Unterhalb eines Streifens freien Feldes lag der Flugplatz mit dem riesigen Munitionsdepot und dem Nachschublager für die Panzer. Mit zusammengepreßten Lippen spähte Barnes durch den Sehschlitz. Bert rollte in den beginnenden Tag.
Der Sergeant merkte, daß er unwillkürlich die Geschwindigkeit erhöhte. War die Unterführung breit genug?
Er hatte die Breite abgeschritten, als er mit Jacques hier gewesen war. Zur Not würde Bert gerade hindurchpassen. Er mußte – die Unterführung war der einzige Zugang zum Flugfeld von dieser Seite des Kanals aus.
Das erste Tageslicht fiel durch den Sehschlitz, und Barnes hoffte inständig, daß die Sicherheitsposten inzwischen nicht verstärkt worden waren. Doch die Deutschen verließen sich bestimmt auf die Kolonne, die den Eindringling abfangen sollte. Der Sergeant fragte sich, wie sich Colburn in diesen möglicherweise letzten Minuten seines Lebens fühlen mochte.
Im Turm spähte Colburn nach Osten, wo die Dämmerung am Horizont emporkroch. Eine halbe Stunde später hätten sie den Ort niemals unangefochten durchqueren können. Und selbst wenn sie das geschafft hätten, wäre die 14. Panzerdivision dann schon unterwegs gewesen.
Sollte es tatsächlich klappen? Er betrachtete den Sprengapparat mit einem Gefühl der Verwunderung. Ihm war plötzlich bewußt, daß er innerhalb einer Stunde oder sogar noch früher tot sein konnte. Ein merkwürdiges Gefühl, das ihn erschauern ließ.
Die Luft war sehr kalt; von den Feldern stiegen weiße Nebelschwaden auf. Diesen Frühnebel kannte Colburn von den Feldern in der Umgebung von Manston. Doch Manston verblaßte, und vor ihm lag die Unterführung.
Sie schien viel zu eng für Bert. Gerade breit genug, um einen Bauernkarren durchzulassen. Der Kanadier empfand bittere Enttäuschung. Im letzten Moment durchkreuzte eine zu enge Unterführung ihren Plan. Es brachte auch nichts, die Böschung wieder hinaufzufahren. Sie war viel zu steil, und außerdem blieb dann immer noch der Kanal. Colburns Enttäuschung schwang deutlich in seiner Stimme mit.
»Barnes, die Unterführung ist viel zu eng, da bin ich ganz sicher.«
Der Tank beschrieb einen weiten Halbkreis. Barnes steuerte ihn frontal auf die Unterführung zu. Durch den Sehschlitz erkannte er, daß über dem Feld hinter dem Kanal dichter Nebel hing. Er würde sie gegen die Sicht der Deutschen decken.
Colburn gab es auf, den Sergeanten überzeugen zu wollen, und dirigierte ihn, so gut er konnte, auf die Unterführung zu.
Der Abstand zwischen den Steinmauern und der Frontpartie von Bert wurde immer kleiner. Der Boden war sehr uneben, und Barnes hatte alle Mühe, die Anweisungen des Kanadiers genau zu befolgen. Er befand sich dicht vor der Unterführung, als Colburn ihn anhalten ließ. Bert stand viel zu weit rechts.
Barnes setzte zurück und veränderte den Fahrtwinkel um eine Spur. Er starrte angespannt durch den Sehschlitz und versuchte, nicht an die rasch verrinnende Zeit zu denken.
Diesmal mußten sie durch. Er hörte das plötzliche Schaben und Kratzen von Metall auf Stein, der Tank erbebte und blieb abrupt stehen, als Barnes auf die Bremse trat. Vielleicht ging’s doch
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