Gehetzt
ausgebildeter Soldat, der sich viel auf sein gutes Aussehen einbildet. Vorausgesetzt, er ist hart im Nehmen und zudem ein gefühlloser Schweinehund.
Denn es waren schließlich deine Leute, die wir am Kanal über den Jordan geschickt haben.«
Pierres Augen blitzten auf.
»Ich hatte keine Gelegenheit, rechtzeitig etwas dagegen zu unternehmen.«
»Nein, das lag auch nicht in deinem Interesse. Du hast doch nur darauf gewartet, deinen Leuten einen völlig intakten Matilda-Panzer in die Hände zu spielen. Alles andere war dir gleichgültig. Und nun der zweite Fehler: dein Verhalten am Kanal. Kein Junge verhält sich so beim Anblick zerfetzter Körper – jedenfalls keiner, der angeblich erst siebzehn ist.«
»Ein deutscher Soldat versteckt sich nicht unter Brücken vor dem Feind.«
Penn trat einen Schritt vor, doch Barnes hielt ihn mit einem Blick zurück. Seine Stimme klang immer noch sanft.
»Lassen Sie ihn ruhig sein Gift verspritzen, Penn. Er wird ohnehin gleich erschossen – es sei denn, er gibt uns ein paar Auskünfte.«
Zum erstenmal glaubte Barnes eine Spur von Angst in dem arroganten Gesicht des Jungen zu entdecken. Sein Blick wanderte kurz zu Penn und dann wieder zu Barnes. Er versuchte, seiner Stimme einen hochmütigen Ton zu geben, konnte aber ihr Beben nicht ganz unterdrücken.
»Das wäre Mord, Barnes.«
»Für dich immer noch Sergeant, mein Freund. Außerdem darf ich dich daran erinnern, daß du keine Uniform trägst und somit ein Spion bist. Spione darf man sofort standrechtlich erschießen. Zu welcher Einheit gehörst du, Pierre?«
»Ich brauche diese Frage nicht zu beantworten.«
»Stimmt, das brauchst du nicht. Wir können dich auch sofort erschießen.«
»Ich bin bereit, bestimmte Fragen zu beantworten.«
»Schon besser. Wie alt bist du?«
»Zwanzig.«
»Und hat immer noch einen Milchbart.«
Barnes schaute Penn an.
»Wahrscheinlich entwöhnt man Jungs in Deutschland erst sehr spät von der Mutterbrust.«
Pierre zuckte zusammen und ballte die Hände zu Fäusten.
Röte schoß ihm ins Gesicht.
»Wie heißt du wirklich, Pierre?«
»Gerhard Seft. Feldwebel Gerhard Seft.«
»Von welcher Einheit?«
Schweigen. Seft hatte den Mund zu einem Strich zusammengepreßt. Wieder warf er einen Blick über Penns Schulter.
»Du hast noch nicht viel vom wirklichen Krieg gesehen, stimmt’s?«
Barnes reizte ihn bewußt.
Sefts Haltung veränderte sich. Er drückte die Schultern durch und starrte Barnes haßerfüllt an.
»Ich habe den Polen-Feldzug mitgemacht. Ich war in Warschau. Wir haben die Polen in Stücke gehauen, sie am Boden zertreten – und ich war dabei!«
»Schön, dann weißt du ja, was einen Soldaten erwartet, den man in Zivilkleidern erwischt.«
Der Blick des Deutschen flackerte. Er wechselte rasch das Thema.
»Wie ist es Corporal Penn gelungen, hinter den Hügel zu gelangen, ohne daß ich es bemerkte?«
»Er marschierte einfach durchs Flußbett davon, während Sie Reynolds ablösten.«
Barnes wartete auf eine Reaktion, aber der Deutsche sagte nichts und schaute ihn seinerseits an, als warte er auf etwas Bestimmtes.
»Seft, warum hat man dich auf ein solches Himmelfahrtskommando geschickt, allein in Zivilkleidern hinter den feindlichen Linien? Das wüßte ich zu gern.«
»Weil ich perfekt Englisch und Französisch spreche. Meine Mutter war Französin.«
Hatte er den letzten Satz nur angehängt, um Sympathie zu schinden, um an die Menschlichkeit seiner Gegner zu appellieren? Barnes vermutete es, seine Abneigung gegen Seft wuchs. Seine Stimme klang jetzt härter.
»Wohin führt diese Straße?«
»Nach Arras – wie ich Ihnen schon sagte.«
»Du hast mir eine Menge Lügen erzählt, mein Junge. Aber wenn wir schon dabei sind – woher kommen wir?«
»Aus Fontaine natürlich.«
Seft schien allmählich seine Selbstsicherheit zurückzugewinnen. Sein Verhalten zeigte wieder eine Spur der ihm eigenen Arroganz, als er merkte, daß man ihn nicht einfach so umlegen würde.
»Von Fontaine?« wiederholte Barnes gedehnt. »Denk noch mal genau nach, Bürschchen.«
»Aber das stimmt doch«, rief Penn erstaunt dazwischen.
»Tatsächlich? Hat Ihnen außer Seft noch jemand aus dem Dorf gesagt, daß Sie in Fontaine seien? Wohl kaum. Die Straße, die wir von Fontaine aus hätten nehmen müssen, verläuft auf der Karte in südwestlicher Richtung, während die hier genau nach Süden verlief, ehe sie vor ein paar Stunden nach Südwesten schwenkte. Außerdem müßten wir inzwischen eine
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