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Gehetzt

Titel: Gehetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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aufbrechen.«
    »Selbstverständlich!« Pierre schnürte sich die Schuhe zu.
    »Ich hatte Ihnen ja angeboten, eine Wache zu übernehmen.«
    »Warten wir mal ab, wie du das machst. Du brauchst nur auf der Brücke Augen und Ohren offenzuhalten. Denk aber daran, daß ein Fahrzeug nicht unbedingt mit Licht fährt. Es muß auch nicht unbedingt aus Süden kommen wie die Panzerkolonne.
    Eher befürchte ich, daß es aus Norden kommt, wenn sie merken, daß ihnen ein Posten verlorengegangen ist.«
    »Ich werde schon aufpassen.«
    »Du weckst mich sofort, wenn du etwas hörst oder siehst, verstanden?«
    »Ja, mach’ ich.«
    Der Junge streckte die Hand nach der Maschinenpistole aus, doch Barnes nahm die Waffe zur Seite.
    »Ich brauche doch eine Waffe, oder?« begehrte Pierre auf.
    »Ja, deine Augen und deine Ohren. Ich möchte vermeiden, daß du im Dunkeln auf Büsche oder eine Ratte losballerst. Und nun geh auf deinen Posten.«
    Barnes wartete, bis Pierre langsam die Böschung hochstieg.
    Dann durchquerte er lautlos den Fluß, kletterte die gegenüberliegende Böschung empor und duckte sich hinter das Gebüsch, das ihm schon vorher als Deckung gedient hatte. Er war jetzt von keiner Stelle aus zu sehen, denn seine untere Körperhälfte war ebenfalls von Sträuchern verdeckt. Von seinem Versteck aus hörte er, wie Reynolds und Pierre auf der Brücke ein paar Worte wechselten, und der Fahrer danach die Böschung hinunterstolperte. Dann war nur noch das Geräusch von Pierres Schritten zu hören, der auf der Brücke auf und ab ging. Beiläufig registrierte Barnes, daß er den Jungen als vagen Schatten durch das Steingeländer erkennen konnte, eine Gestalt, die nicht ahnte, daß sie beobachtet wurde.
    Als ein grauer Streifen im Osten die Morgendämmerung ankündigte, war Barnes schließlich überzeugt, daß Pierre seine Aufgabe sehr gewissenhaft versah. An jedem Ende der Brücke blieb er eine Minute lang stehen und lauschte, ehe er seine Wanderung wieder aufnahm. Mehrmals trat er auch ans Geländer und spähte flußauf- oder -abwärts, als fürchte er von dort einen Überraschungsangriff. Zum Teufel auch, dachte Barnes, der Bursche erledigt seinen Job, als sei er speziell dafür ausgebildet.
    Wenig später dämmerte der Morgen, blasse Lichtstreifen zogen am Horizont auf. Barnes wußte nicht, was er jetzt tun sollte. Er hatte die ganze Zeit bewegungslos in Deckung gelegen. Jetzt spürte er plötzlich einen ziehenden Schmerz in seinem rechten Bein, erstes Warnzeichen für einen drohenden Krampf. Er mußte sich zwingen, ruhig liegenzubleiben. Der Krampf wurde stärker, stach gnadenlos in seine Beinmuskulatur. Barnes biß vor Schmerz die Zähne zusammen und krallte die Hände in den Boden. Er durfte sich nicht rühren, denn Pierre stand gerade an diesem Ende der Brücke und hatte Barnes das Gesicht zugewandt, während er im Osten die heraufziehende Dämmerung beobachtete. Das kleinste Geräusch mußte ihn aufschrecken, und dann würde er wissen, daß man ihn beobachtete.

    Schweißtropfen rannen über Barnes’ Gesicht, und er mußte seine ganze Willenskraft aufbieten, um das Bein stillzuhalten.
    Allmählich ließ der Schmerz nach, und erst jetzt wanderte Pierre wieder zum anderen Brückenende, als hätte er bewußt abgewartet, bis der Schmerz für Barnes fast unerträglich wurde. Durch Zweige des Gebüschs konnte Barnes das Gelände unterhalb der Brücke einsehen. Es stieg sanft zu einer Hügelkuppel an. Von seiner Patrouille kurz nach ihrer Ankunft wußte der Sergeant, daß es hinter der Kuppe steil abfiel zu einer langgezogenen Senke. Tatsächlich war dies die einzige nicht einsehbare Stelle, an der der Feind ungesehen bis dicht an die Brücke herankommen konnte.
    Barnes’ Blick hing wie gebannt an dieser Hügelkuppe, die sich langsam aus dem Dunkel der Nacht schälte, bis sie sich scharf gegen den grau und golden gestreiften Himmel abzeichnete, der die Geburt eines weiteren herrlichen Tages ankündigte.
    Pierre war auf der anderen Brückenseite stehengeblieben.
    Diese absolute Morgenstille schien unfaßbar, unwirklich, so daß Barnes sie beinahe zu hören glaubte. Kälte lag in der Luft und fraß sich durch seinen Kampfanzug bis auf die Haut. Die Uniform war klamm vom Tau, sogar die Hände waren mit einem Nässefilm überzogen. Unterhalb der Hügelkuppe stiegen weiße Nebelschwaden vom Boden auf. Sie dämpften das Licht und gaukelten Barnes eine näher kommende menschliche Gestalt vor.
    Im nächsten Augenblick wurde sie wirklich.

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