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Gehetzt

Titel: Gehetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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die noch frei ist.«

4
Freitag, 24. Mai

    Sie fuhren um ihr Leben. Gegen 4.30 Uhr früh rollte Bert aus seinem Versteck unter der Brücke und fuhr im Zehnkilometertempo zwischen den mit hohem Gebüsch bestandenen Böschungen im Flußbett stromabwärts, wie eine monströse Insel aus Metall. Barnes stand aufrecht im Turm. Er war froh, daß er nicht über den Uferrand einen Meter über seinem Kopf hinaussehen konnte. Also sah der Feind sie auch nicht. Barnes blickte des öfteren zurück, um sicher zu sein, daß sie keine verräterischen Spuren hinterließen. Nur das Wasser war etwas lehmig vom aufgewirbelten Sand, ansonsten war nichts zu erkennen. Vor ihm führte das Flußbett etwa hundert Meter geradeaus und verschwand dann hinter einer Kehre.
    Diese Biegung mußten sie erreichen, ehe die Vorhut der Panzerkolonne die Brücke passierte. Ihre Chancen standen fünfzig zu fünfzig, doch es war ihre einzige Chance.
    Etwas weiter unterhalb der Brücke säumten Baumreihen beide Ufer, streckten ihre Äste über den Fluß und bildeten ein Laubdach, dessen unterste Zweige fast bis zum Wasser reichten. In diesem Tunnel war es so dunkel, daß Barnes kaum das Flußbett erkennen konnte. Wenn das Gewässer plötzlich tiefer wurde, waren sie ohnehin am Ende. Die Klappen über den Auspuffrohren waren zwar geschlossen und machten Bert wassertauglich, doch nur bis zu einer Höhe von etwa einem Meter. Barnes streifte die traurige Ladung, festgezurrt auf dem Heck des Panzers, mit einem Blick. Hoffentlich waren sie nicht zu spät aufgebrochen.

    Die Beseitigung der Leichen – der Posten und Seft – hatte ihre Abfahrt verzögert. Da sie nichts zurücklassen durften, was Verdacht erweckte und eine Suche ausgelöst hätte, hatte Barnes sich gezwungen gesehen, die beiden Toten mitzunehmen. Er ließ sie mit Seilen am rückwärtigen Teil des Turms festbinden.
    Am gefährlichsten für sie waren die Motorradstreifen, die vor der Panzerkolonne herfuhren, wie er durch seinen Feldstecher beobachten konnte. Sie würden sich ähnlich verhalten wie die nächtlichen Streifen, das wußte er. Das erste Krad würde kurz anhalten, den Posten absetzen und dann weiterfahren. Der Posten würde als erstes zur Brückenmitte gehen und zum Fluß hinuntersehen.
    Barnes spähte das Flußbett entlang. Stimmt, etwa hundert Meter waren es noch bis zur Kehre. Und da gab’s noch so einiges, das ihm Kopfzerbrechen bereitete. Einen Panzer durch ein Flußbett zu steuern, selbst wenn es verhältnismäßig gerade verlief, war nicht unbedingt einfach. Über sein Mikro gab er pausenlos Anweisungen an Reynolds durch. Vielleicht schafften sie es, wenn der Untergrund einigermaßen fest blieb.
    Von seinem erhöhten Standort aus versuchte er angestrengt, die Bodenbeschaffenheit unter der Wasseroberfläche zu erkennen. Nur keine Schlammbank jetzt. Oder Stromschnellen.
    Oder der Motor machte Zicken, und sie saßen in voller Sicht der Deutschen mitten im Flußbett fest.
    Als Penn zu ihm hinaufkletterte, schob er diesen Gedanken rasch beiseite.
    »Meinen Sie, wir schaffen es?« fragte der Corporal leise.
    »Wenn wir rechtzeitig die Flußkehre hinter uns bringen.«
    »Können wir nicht schneller fahren – wir kriechen ja nur.«
    »Absichtlich, denn das hier ist schließlich keine Autobahn. Das Flußbett macht mir Sorgen. Es wird tiefer.«

    Der Wasserspiegel an den Ketten stieg rasch höher, und Barnes schätzte die Tiefe hier auf siebzig Zentimeter. Bert konnte maximal einen Meter Wassertiefe verkraften.
    Außerdem rückten die Ufer enger zusammen, und Reynolds hatte nur wenige Zentimeter Spielraum nach beiden Seiten.
    Die Ketten mahlten vorwärts, rauschten durch das Wasser, ratterten über unsichtbare Felsbrocken, wirbelten den Schlamm auf und tauchten tiefer und tiefer unter die Oberfläche. Penn verzog das Gesicht. Barnes schaute zur Brücke zurück.
    »Müssen mindestens schon sechzig Zentimeter sein.«
    »Mit Sicherheit.«
    Auf halber Strecke zwischen der Brücke und dem schützenden Blätterdach sahen sie sich plötzlich einer neuen Gefahr gegenüber. Das Brummen eines Flugzeugs wurde rasch lauter. Aus dem hohen Motorengeräusch schloß Barnes, daß es ein kleines, niedrig fliegendes Flugzeug sein mußte. Die Panzerkolonne ließ von einem Aufklärer das Gelände sondieren. Der Pilot würde jeden Zentimeter Boden unter sich genau absuchen. Wenn er über den Fluß flog, müßte er sie sehen.
    Barnes sah die Situation fast bildhaft vor sich: das kreisende Flugzeug über ihnen,

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