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Gehetzt

Titel: Gehetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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plötzlich und machte ein nichtssagendes Gesicht, als fürchte er, schon zuviel verraten zu haben. Barnes redete rasch weiter, um so viele Informationen wie möglich aus diesem Galgenvogel herauszuholen, solange der Bursche verunsichert war.
    »Lebrun, wo sind die Deutschen jetzt?«
    »In Abbeville.«
    Diese Neuigkeit traf Barnes wie ein Faustschlag. Wenn sie stimmte, waren das britische Expeditionskorps und die französischen Armeen im Norden von der französischen Hauptstreitmacht im Süden abgeschnitten, eine beispiellose Katastrophe, die es selbst während des Ersten Weltkrieges nicht gegeben hatte.
    Der Sergeant verbarg seine Enttäuschung. Der Bursche log natürlich. Das durfte einfach nicht wahr sein.
    »Abbeville liegt an der Küste, Lebrun. Denken Sie noch mal nach, und überlegen Sie sich genau, was Sie mir erzählen.«
    »Wenn ich’s Ihnen doch sage.« Der Mann wurde allmählich nervös und fuchtelte aufgeregt mit den Händen. »Glauben Sie mir, die Deutschen sind tatsächlich in Abbeville. Wir haben unterwegs Flüchtlinge aus dieser Stadt getroffen. Die deutschen Panzer sind überall. Zu Tausenden haben sie ganz Frankreich überrollt. Sie sind überall.«
    »Aber nicht hier in der näheren Umgebung?«
    Der untersetzte Mann streifte Barnes mit einem listigen Blick. Als er antwortete, klang seine Stimme hart.
    »Ein großer Panzer steht vor Beaucaire – auf der Straße nach Cambrai.«
    »Sprechen Sie von einem deutschen Panzer? Wie weit vor Beaucaire?«
    »Sieben oder acht Kilometer! Wir sind auf dem Weg hierher an ihm vorbeigefahren. Er ist nur zufällig hier, da bin ich sicher. Er ist auf dem Feld liegengeblieben. Vier Soldaten versuchen, ihn zu reparieren. Sie schuften wie die Bauern hier. Mit nacktem Oberkörper. Jedenfalls bis vor zwei Stunden.«
    »Auf welcher Straßenseite?«
    »Rechts von uns, etwa fünfhundert Meter von der Straße entfernt.«
    Barnes nickte und befahl den Männern, sich quer über der Straße mit genügendem Abstand voneinander aufzustellen.
    Dann marschierte er mit ihnen zum Platz. An der Ecke befahl er ihnen, stehenzubleiben, sich lang ausgestreckt auf den Boden zu legen, und feuerte eine Salve aus seiner Maschinenpistole in die Luft. Die flach am Boden liegenden Körper zuckten mehrmals. Barnes wußte, daß die Männer einen Moment lang geglaubt hatten, ihren letzten Atemzug getan zu haben.
    Der Sergeant hörte den Motor von Bert auf röhren, und er feuerte eine zweite kurze Salve ab, die dem Tank die Richtung wies. Nur Lebrun brachte den Mut auf, den Kopf zu heben, als der Panzer heranrollte.
    »Was sind denn das für Vögel?« rief Penn aus dem Turm.
    »Plünderer!« Barnes spie dieses Wort voller Verachtung aus.
    »Während ihre Landsleute versuchen, die Deutschen zurückzuwerfen, klaut diese Bande alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Da vorn auf der Straße steht eine ganze Busladung voll.«
    »Wie sind Sie ihnen draufgekommen?«
    »Durchs Knochengesicht. Er trägt einen schmierigen alten Anzug. Die Krawatte und die Schuhe paßten nicht so gut dazu – ganz zu schweigen von der goldenen Armbanduhr.«
    Barnes befahl Penn, im Turm zu bleiben, während Reynolds die vier Männer durchsuchte. Lebrun und einer seiner hageren Kumpane hatten jeder eine Pistole bei sich – deutsche Luger-Pistolen, Kaliber 9. Als Barnes sie nach der Herkunft der Waffen fragte, erklärte Lebrun, sie hätten sie zwei toten deutschen Soldaten abgenommen, die sie unterwegs neben einem zerschmetterten Motorrad mit Seitenwagen gefunden hätten. Barnes sagte nichts dazu, obwohl er genau wußte, daß nur deutsche Offiziere mit Luger-Pistolen ausgerüstet waren.
    Er ließ die vier Gauner unter Penns Bewachung zurück und ging mit Reynolds zum Bus. Auf sämtlichen Sitzen stapelte sich das Diebesgut, darunter auch eine Vitrine voll alter Goldmünzen. Barnes kletterte über die seltsame Ladung weiter nach hinten. Plötzlich stieß Reynolds einen Pfiff aus. Der Fahrer hatte bereits das Jagdgewehr, die Seidenvorhänge, den kleinen Sessel und das Silbertablett durch die Tür nach draußen geworfen. Barnes drehte sich zu ihm um.
    »Haben Sie ein paar Flaschen Champagner gefunden?«
    »Ja, für Bert.«
    Reynolds hob einen großen rechteckigen Kanister hoch, öffnete die Verschlußkappe und schnüffelte daran. Er verschloß den Kanister wieder, trug ihn aus dem Bus und setzte ihn vorsichtig auf dem Gehweg ab, als sei es eine kostbare, zerbrechliche Porzellanvase. Danach begannen beide Männer den Bus auf den

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