Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gehetzt

Titel: Gehetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
Vom Netzwerk:
Dazwischen hörte der Sergeant ein anderes dumpfes Geräusch. Anscheinend waren einige der stehengebliebenen Hauswände eingestürzt. ›Wie schön, daß wir uns in freiem Gelände befinden‹, dachte Barnes.

    Er wußte nur zu gut, daß während eines Luftangriffes auf eine Stadt die meisten Einwohner durch einstürzende Mauern und Gebäude ums Leben kamen. Der Sergeant bedachte Penn mit einem kurzen Blick, um zu sehen, wie der Corporal die Bombardierung durchstand. Penn erwiderte den Blick und zwirbelte in gespielter Angst die Enden seines Schnurrbartes.
    Gespielte Angst? Penns Nerven vibrierten wie überspannte Violinsaiten. Wieder detonierte eine Bombe in nächster Nähe, und der Tank schwankte wie ein Spielzeug unter der Wucht der Druckwelle. Teile der Ausrüstung polterten zu Boden.
    Ein Bombardement zu erleben, ist eine der schlimmsten Erfahrungen, die Menschen im Krieg durchmachen, wo immer sie sich davor verbergen. Am schlimmsten ist es aber für eine Panzerbesatzung. Penn hatte das schreckliche Gefühl völligen Ausgeliefertseins. Eine dicke Mauer bietet nüchtern betrachtet ebensowenig Sicherheit wie die 40-Millimeter-Panzerplatten eines Tanks, doch fühlt man sich in einem Gebäude freier und ist beweglicher.
    Der Widerhall der Detonationen im Innern des Matilda-Panzers war ohrenbetäubend. Penn zuckte jedesmal zusammen, wenn das Krachen der Explosion durch die Metallhaut von Bert schnitt und im Innern widerhallte, als schwinge jemand einen tonnenschweren Vorschlaghammer gegen die Panzerung. Der Corporal kroch während des Luftangriffes immer mehr in sich zusammen und versuchte das Denken weitgehend auszuschalten, wie auf der Brücke, als die Panzerkolonne an ihm vorbeigedonnert war. Diesmal jedoch funktionierte der Trick nicht. Penn hatte versucht, die Explosionen bis hundert mitzuzählen, wobei er fest damit rechnete, daß der Angriff niemals so lange dauern würde.
    Doch schon nach den ersten paar Explosionen verrechnete er sich und gab es schließlich auf, lebte nur noch von einer Detonation zur nächsten.

    Vorne im Panzer, von den beiden anderen Kameraden getrennt, hockte Reynolds zusammengekrümmt in seinem Abteil, die Hände an den Steuerhebeln, völlig benommen vor Angst. Es war nicht so sehr die Angst vor einem Volltreffer, die ihn fast lähmte. Wenn das passierte, gab’s nichts mehr, worüber man sich sorgen müßte. Reynolds versuchte krampfhaft, ein technisches Detail des Panzers aus seinen Gedanken zu verbannen – die vier 6-Volt-Batterien in Berts Nase. Er hatte eine Wahnsinnsangst davor, durch einen unglücklichen Zufall geblendet zu werden. Schon die Druckwelle eines Einschlags in nächster Umgebung konnte genügen, um die Batterien platzen zu lassen und ihm die Schwefelsäure über Gesicht und Hände zu spritzen. Der Fahrer saß gottergeben auf seinem Platz und verfluchte, während er auf die nächste Detonation wartete, inständig die Konstrukteure des Matilda-Tanks, die ihn und seine Kollegen in den anderen Tanks bedenkenlos solchen Gefahren aussetzten.
    Verfehl dein Ziel, oder töte uns sofort, betete er und umklammerte mit seinen schweißnassen Händen die Fahrhebel. Da – das ist sie – direkt vor mir. O Gott, nein!
    Die Explosion brandete gegen die Nase des Panzers, und er hörte Steinsplitter gegen die Sehschlitze aus Panzerglas prasseln. Dann wurde ihm klar, daß er noch einmal davongekommen war. Er blieb mit gesenktem Kopf sitzen und hielt die Augen krampfhaft geschlossen.
    »So weit, so gut«, wiederholte Barnes Penns Scherzwort.
    »Ja.«
    Penn spie dieses Wort regelrecht aus. Er fragte sich, wie lange der Angriff noch dauern würde. Seine Phantasie malte in grellsten Bildern, was geschah, wenn sie einen Volltreffer erhielten. Die Panzerhülle würde aufplatzen, die bei starken Explosionen auftretenden Gase konnten eindringen. Der Druck würde ihn und seine Kameraden zerfetzen und aus dem Innern des Panzers schleudern. Niemand würde jemals wissen, was mit ihnen geschehen war. Sie wären einfach für immer verschwunden. Wie lautete doch gleich der stereotype Ausdruck dafür?
    ›Im Felde verschollen…‹
    Großer Gott, meine arme Familie, dachte Penn. Am Tag vor dem Grenzübertritt wollte ich ihnen noch schreiben. Wie viele Tage war das jetzt her?
    Er wußte es nicht, versuchte auch nicht, die Tage nachzurechnen, denn das nächste Ei rauschte herunter und schüttelte den Panzer so stark, daß die drei Männer schon den sicheren Tod vor Augen hatten.
    Der Angriff dauerte

Weitere Kostenlose Bücher