Gehetzt
Silberbeschläge blinkten im Sonnenlicht.
Wollte er damit zeigen, daß das Gewehr nicht geladen war?
Winselte er um Gnade?
Barnes wußte es nicht, es kümmerte ihn auch nicht. Ohne Bedauern, ohne jegliche Emotion spreizte er die Beine, legte an und feuerte. Die Einschläge in der Kraterwand wirbelten kleine Staubfontänen auf, die genau auf Lebrun zuliefen. Der Korse schwankte plötzlich, kippte hinüber und rührte sich nicht mehr.
Eine schreckliche Stille legte sich über die trostlose Trichterlandschaft. Barnes zog eine Grimasse. Seine ganze Panzerbesatzung bestand nur noch aus zwei Mann.
5
Freitag, 24. Mai
Penn ging es sehr schlecht. Barnes brauchte nur in sein Gesicht zu sehen, um Bescheid zu wissen. Vorher frisch und rosig, war es jetzt eingefallen und grau, seinen Augen fehlte der Glanz.
Der Corporal war auf seinem Sitz an der Kanone in sich zusammengesunken, eine Decke stützte seinen Rücken.
Reynolds hatte die Wunde an der rechten Schulter gesäubert.
Penn hatte eine ähnliche Verletzung wie Barnes, doch war bei ihm die Kugel vom Rücken her eingedrungen und nicht von schräg oben. Reynolds wollte ihm gerade einen Verband anlegen, wartete aber, bis Barnes die Wunde untersucht hatte.
Der Sergeant beeilte sich, denn der Blutfluß war noch nicht ganz gestoppt.
»Wie lautet die Diagnose?« fragte Penn schwach.
»Ich habe schon viel schlimmere Verletzungen gesehen, und die Leute haben trotzdem überlebt.«
»Tut mir leid, daß ich im Moment wohl zu nichts zu gebrauchen bin…«
»Keine Sorge, Sie sind bald wieder dabei. Verbinden Sie ihn, Reynolds!«
Penn richtete sich auf, um Reynolds ein wenig die Arbeit zu erleichtern, und nahm die Flasche Cognac, die Barnes ihm reichte.
»Aber nur einen kleinen Schluck! Werden Sie nicht zu gierig!«
»Setzen Sie mich schon wieder auf Diät?«
Penn brachte ein verzerrtes Grinsen zustande.
»Sie kriegen gleich noch mehr, keine Sorge. Glauben Sie, Sie könnten dort sitzen bleiben, wenn wir weiterfahren?«
»Natürlich. Hauptsache, wir verschwinden aus dieser Geisterstadt. Hier kriege ich noch Zustände. Haben Sie Lebrun erwischt? Ich habe…«
Er stöhnte, als Reynolds den Notverband fest auf die Wunde preßte.
»Ja, er ist tot. Er hat sich an einem halben Magazin Kugeln verschluckt.«
»Ich hätte ihn sehen müssen – es war meine Schuld…«
»Das stimmt nicht. Sie konnten nicht damit rechnen, daß er es wagen würde, zurückzukommen – und noch dazu bewaffnet.«
»Was war mit der Werkzeugkiste?«
»Ein großer Schraubenschlüssel – als Ersatz für den, den wir in Etreux verloren haben. Gleich bringen wir Sie weg aus dieser Sommerfrische hier.«
»Geh zur Armee, dann siehst du die Welt. Danke, Reynolds, jetzt geht’s schon. Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, bei den Leuten, die man bei der Armee und durch die Armee überall trifft. Wenn das alles hier vorbei ist, werde ich meine Memoiren veröffentlichen. Sie wußten sicher noch nicht, daß ich ein Tagebuch führe oder, Sergeant?«
»Nein, das ist mir neu«, log Barnes.
»Verstößt gegen die Vorschriften. Sie müssen mir einen Verweis erteilen. Drei Tage AB – Arrest in Bert. Sieht so aus, als müßte ich mich ohnehin die nächste Zeit häuslich in ihm einrichten.«
Penn lachte kraftlos und hielt abrupt inne, sein Gesicht war schmerzverzerrt. Barnes hielt ihm die Cognacflasche hin und befahl ihm, einige Schlucke zu nehmen. Dabei beobachtete er ihn scharf. Er mußte Penn bei Bewußtsein halten, bis sie Beaucaire hinter sich gelassen hatten. Das Gesicht des Corporals zeigte wieder etwas Farbe, als der Alkohol die Durchblutung anregte. Reynolds räumte die blutgetränkten Mullkompressen beiseite. Penn mußte eine Menge Blut verloren haben. Aus der Zahl der Kompressen schloß der Panzerkommandant, daß der Fahrer längere Zeit vergeblich versucht hatte, die Blutung zu stoppen.
»Wir fahren jetzt los, Penn. Ich werde versuchen, Schlaglöcher und sonstige Unebenheiten zu vermeiden, aber vergessen Sie nicht, daß wir nicht die Promenade von Brighton unter den Ketten haben.«
»Verschwinden wir von hier. Wir fahren nach Cambrai?«
»Ja, zumindest in die Richtung.«
»Denken Sie an den Jerry-Panzer, von dem uns Lebrun erzählt hat. Vielleicht hat der Lump wirklich ausnahmsweise die Wahrheit gesagt. Tut mir leid, daß ich an der Kanone ausfalle.«
»Machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Ich werde selbst Kanonier spielen, bis Sie wieder auf dem Posten sind.«
»Schätze, Sie könnten selbst
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