Gehetzte Uhrmacher
aufgebrochen und meine Handtasche durchsucht«, sagte Amelia barsch. »Und Sie haben eine Nachbarin über mich ausgefragt – und sich dabei als ein früherer Kollege von mir ausgegeben.«
Würde er es abstreiten? Falls Dance und Sachs sich irrten, könnte es gewaltigen Ärger geben.
Aber Baker blickte zu Boden. »Hören Sie, das alles ist ein Missverständnis.«
»Sie haben mit meiner Nachbarin gesprochen?«, fragte Sachs wütend.
»Ja.«
Sie kam einen Schritt näher. Die beiden waren ungefähr gleich groß, aber in ihrem Zorn schien Sachs ihn zu überragen. »Fahren Sie einen schwarzen Mercedes?«
Er runzelte die Stirn. »Mit dem Gehalt eines Polizisten?« Diese Reaktion wirkte aufrichtig.
Rhyme schaute zu Cooper, der die Datenbank der Zulassungsstelle abfragte. Der Techniker schüttelte den Kopf. »Auf ihn ist kein solches Fahrzeug registriert.«
Nun, in diesem Punkt lagen sie falsch. Aber in anderer Hinsicht hatten sie Baker eindeutig erwischt.
»Also, wie lautet die Erklärung?«, fragte Rhyme.
Baker sah Sachs an. »Amelia, ich wollte Sie unbedingt bei diesem Fall dabeihaben. Sie und Lincoln bilden ein erstklassiges Team. Und ehrlich gesagt, Sie beide bedeuten gute Presse, und ich wollte, dass man mich mit Ihnen in Verbindung bringt. Aber nachdem ich unsere Führungsetage überzeugt hatte, den Fall an Sie zu übertragen, hörte ich von einem Problem.«
»Und das wäre?«, fragte sie streng.
»In meinem Aktenkoffer steckt ein Blatt Papier.« Er nickte Pulaski zu, der neben dem abgewetzten Koffer stand. »Es ist zusammengefaltet. Oben rechts.«
Der Neuling öffnete den Koffer und fand den Zettel.
»Das ist der Ausdruck einer E-Mail«, fuhr Baker fort.
Sachs nahm das Blatt von Pulaski entgegen und las es. Ihre Miene verfinsterte sich, und einen Moment lang verharrte sie mitten in der Bewegung. Dann ging sie zu Rhyme und legte die Nachricht auf die breite Lehne seines Rollstuhls. Er las den kurzen, vertraulichen Text. Absender war ein leitender Inspector im Big Building. Dort stand, ein paar Jahre zuvor habe Sachs mit einem NYPD-Detective namens Nicholas Carelli zusammengelebt, der wegen mehrerer Straftaten verurteilt worden sei, darunter Raubüberfälle, Bestechlichkeit und tätliche Bedrohung.
Sachs sei nicht an den Vergehen beteiligt gewesen, aber Carelli sei vor kurzem aus der Haft entlassen worden, und die Polizeiführung befürchte, die beiden könnten wieder in Kontakt miteinander getreten sein. Man lege ihr nichts Illegales zur Last, aber falls sie derzeit in Begleitung Carellis gesehen werde, könne sich das als »unangenehm« erweisen.
Sachs räusperte sich und sagte nichts. Rhyme wusste längst alles über sie und Nick – dass sie von Heirat gesprochen und sich sehr nahe gestanden hatten; und wie sehr es Amelia mitgenommen hatte, von seinem geheimen Dasein als Verbrecher zu erfahren.
Baker schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid. Ich wusste nicht, wie ich sonst damit umgehen sollte. Man hat mir befohlen, einen umfassenden Bericht abzuliefern, mit Details darüber, an welchen Orten ich Sie gesehen und was ich über Sie in Erfahrung gebracht habe, im Dienst und außerhalb. Und ob Sie irgendwie mit Carelli oder einem seiner Freunde zu tun haben.«
»Deshalb haben Sie mich über Sachs ausgefragt«, sagte Rhyme verärgert. »Was für ein Scheißdreck.«
»Bei allem Respekt, Lincoln, ich setze hier meine Karriere aufs Spiel. Man wollte Amelia zur Sicherheit abziehen und ihr keinen so hochrangigen Fall überlassen, nicht bei ihrer Vorgeschichte. Aber ich habe mich dagegen ausgesprochen.«
»Ich habe Nick schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Ich wusste nicht mal, dass er wieder draußen ist.«
»Und genau das wird in meinem Bericht stehen.« Er wies erneut auf seinen Koffer. »Meine Notizen sind auch da drin.« Pulaski holte noch ein paar Blätter hervor und reichte sie Sachs, die sie erst las und dann Rhyme vorlegte. Es waren Aufzeichnungen über Bakers Beobachtungen und Erkenntnisse, was er in Amelias Kalender und Adressbuch gelesen und was die Leute über sie erzählt hatten.
»Sie haben einen Einbruch begangen«, stellte Sellitto fest.
»Stimmt. Das mit dem Auto war ein Fehler. Es tut mir leid.«
»Warum, zum Teufel, sind Sie nicht zu mir gekommen?«, fragte Rhyme.
»Oder zu einem von uns«, ergänzte Sellitto.
»Der Befehl kam von ganz oben. Ich durfte niemandem etwas verraten.« Baker wandte sich an Sachs. »Sie sind aufgebracht. Das bedauere ich sehr. Aber ich wollte unter
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