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Gehetzte Uhrmacher

Titel: Gehetzte Uhrmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Deaver
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jemand, bei ihr einzubrechen. Die Frau war nicht zu Hause, aber ein paar Deputys des Bezirkssheriffs, die regelmäßig dort vorbeifuhren, entdeckten und verfolgten den Täter. Er konnte entkommen.
    »Das alles klingt nicht besonders ernst... aber es steckte mehr dahinter. Das Sheriff’s Department war besorgt, weil Hanson weiterhin Drohungen ausstieß und bereits zweimal handgreiflich geworden war. Also holte man ihn zur Befragung und redete eine Weile mit ihm. Er stritt alles ab und konnte wieder gehen. Am Ende aber glaubte man, genug Material für einen Prozess zu haben, und nahm ihn fest.«

    Wegen Hansons früherer Vergehen hätte der versuchte Einbruch ihn für mindestens fünf Jahre hinter Gitter bringen können, erklärte Dance. Seine Exfrau und die halbwüchsige Tochter hätten für geraume Zeit Ruhe vor seinen Schikanen gehabt.
    »Ich habe die beiden bei der Staatsanwaltschaft kennen gelernt. Sie haben mir aufrichtig leidgetan, denn sie lebten in schrecklicher Angst. Hanson schickte ihnen per Post leere Seiten oder hinterließ seltsame Nachrichten auf ihrem Anrufbeantworter. Er tauchte manchmal in genau einem Block Entfernung auf – was nicht gegen das Unterlassungsurteil verstieß – und starrte sie an. Er ließ Essen an ihre Adresse liefern. Nichts davon war illegal, aber die Botschaft war klar: Ich werde euch nie aus den Augen lassen.«
    Um Einkäufe erledigen zu können, waren Mutter und Tochter gezwungen gewesen, sich in Verkleidung aus ihrem Viertel zu schleichen und fünfzehn oder zwanzig Kilometer weit zu einem entlegenen Einkaufszentrum zu fahren.
    Dance hatte eine ihres Erachtens gute Jury zusammengestellt, bestehend aus unverheirateten Frauen und Akademikern (liberal, aber nicht zu sehr), die der Situation des Opfers Sympathie entgegenbringen würden. Wie so oft, verfolgte Dance auch den Prozess, um dem Team der Staatsanwaltschaft Tipps geben zu können – und um die von ihr selbst vorgenommene Geschworenenauswahl kritisch zu beleuchten.
    »Ich habe mir Hanson während der Verhandlung genau angesehen und war von seiner Schuld überzeugt.«
    »Doch es ist etwas schiefgegangen.«
    Dance nickte. »Manche Zeugen ließen sich nicht mehr auftreiben, oder ihre Aussagen waren widersprüchlich. Die sichergestellten Spuren verschwanden oder erwiesen sich als verunreinigt. Hanson wartete mit einer Reihe von Alibis auf, die nicht widerlegt werden konnten: Jeder gewichtige Anklagepunkt wurde von der Verteidigung entkräftet; es war, als hätte man die Gespräche der Staatsanwaltschaft belauscht. Er wurde freigesprochen.«
    »Das ist hart.« Rhyme sah sie an. »Aber die Geschichte geht noch weiter, schätze ich.«
    »Ja, leider. Zwei Tage nach dem Prozess hat Hanson seiner Frau und Tochter in der Tiefgarage eines Einkaufszentrums aufgelauert und sie erstochen. Der Freund der Tochter hatte die beiden begleitet
und wurde ebenfalls ermordet. Hanson floh aus der Gegend und wurde letztendlich gefasst – ein Jahr später.«
    Dance trank einen Schluck Kaffee. »Nach den Morden hat der Staatsanwalt sich bemüht, die Gründe für das Scheitern des Verfahrens herauszufinden. Er bat mich, das ursprüngliche Verhörprotokoll des Sheriff’s Department durchzugehen.« Sie lachte verbittert auf. »Als ich das las, hat es mich umgehauen. Hanson war brillant – und der Deputy, der ihn befragt hat, war entweder vollkommen unerfahren oder nachlässig. Hanson hatte leichtes Spiel. Am Ende wusste er genug über den Fall der Staatsanwaltschaft, um ihn komplett zu untergraben – welche Zeugen er einschüchtern, welche Beweise er loswerden und welche Alibis er sich verschaffen musste.«
    »Und er hat von noch etwas Kenntnis erlangt, vermute ich«, sagte Rhyme kopfschüttelnd.
    »O ja. Der Deputy hat ihn gefragt, ob er je in Mill Valley gewesen sei. Und er wollte wissen, ob er schon mal ein Einkaufszentrum in Marin County aufgesucht habe. Dadurch hat Hanson erfahren, wo seine Exfrau und Tochter bisweilen einkaufen gegangen sind. Später hat er sich dann einfach beim Mill-Valley-Einkaufszentrum auf die Lauer gelegt, bis die beiden auftauchten. Dort hat er sie ermordet – und sie waren ohne jeden Polizeischutz, weil es sich um einen anderen Bezirk gehandelt hat.
    An jenem Abend bin ich über die Route 1 – den Pacific Coast Highway – nach Hause gefahren, anstatt den großen Freeway 101 zu nehmen. Ich dachte: Hier sitze ich und bekomme hundertfünfzig Dollar pro Stunde von jedem, der eine Beratung bei der Geschworenenauswahl

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