Gehetzte Uhrmacher
DNA Index System des FBI gehört haben, abgekürzt CODIS. Sobald es irgendwo zu einer Vergewaltigung oder einem sexuellen Übergriff kommt und der Täter nicht gleich erwischt wird, nimmt man Proben seiner zurückgelassenen Körperflüssigkeit, der Haut und der Haare. Auch wenn er ein Kondom benutzt, finden sich am oder in der Nähe des Opfers für gewöhnlich Spuren, die DNS enthalten. Das genetische Profil des Täters wird gespeichert, und wenn die Polizei einen Verdächtigen hat, wird dessen DNS mit der Datenbank verglichen. Sehen Sie selbst.«
Unter der Überschrift CODIS standen Dutzende von Zeilen voller Zahlen, Buchstaben, Diagramme und verschwommener kleiner Striche, die auf einen Laien vollkommen unverständlich wirken mussten.
Der Mann blieb absolut reglos, aber sein Atem war deutlich zu vernehmen. Rhyme empfand seinen Blick als trotzig. »Das ist doch Blödsinn.«
»Wissen Sie, Vincent, wenn ein eindeutiger DNS-Beweis vorliegt, ist ein Fall vor Gericht so gut wie gewonnen. Und es sind schon viele Täter noch Jahre nach den Übergriffen verurteilt worden.«
»Sie können nicht... Ich habe mich nicht damit einverstanden erklärt.« Er starrte den eingetüteten Strohhalm an.
»Vincent«, sagte Kathryn Dance leise, »Sie stecken in Schwierigkeiten.«
Genau genommen stimmte das sogar, dachte Rhyme. Der Mann hatte eine tödliche Waffe mit sich geführt.
Man darf nie lügen...
»Aber Sie haben etwas, das wir möchten.« Dance legte eine kurze Pause ein. »Ich weiß nicht, wie man das in New York handhabt, aber in Kalifornien haben die Staatsanwälte großen Spielraum, wenn ein Verdächtiger sich zur Zusammenarbeit bereit erklärt.«
Sie sah zu Sellitto, der bestätigte: »Ja, Vincent, hier ist es genauso. Der Staatsanwalt wird auf unsere Empfehlungen hören.«
Vincent starrte die Daten auf dem Computerbildschirm an, biss die Zähne zusammen und sagte nichts.
Baker fuhr fort. »Hier ist unser Angebot: Falls Sie uns helfen, den Uhrmacher zu fassen, und falls Sie Ihre bisherigen sexuellen Übergriffe gestehen, werden Sie nicht wegen der Entführung und Ermordung der beiden Opfer vom Montag angeklagt. Wir werden dafür sorgen, dass Sie in Behandlung kommen. Und Sie werden keinen Kontakt mehr zu der Allgemeinbevölkerung haben.«
»Aber Sie müssen uns helfen, und zwar sofort, Vincent«, sagte Dance streng. »Was sagen Sie dazu?«
Der Mann musterte den Monitor mit dem DNS-Profil, das nicht das Geringste mit ihm zu tun hatte. Sein Bein zitterte leicht – ein Hinweis auf den Kampf, der in ihm tobte.
Sein Blick richtete sich herausfordernd auf Kathryn Dance.
Ja oder nein? Wie würde die Antwort lauten?
Eine ganze Minute verstrich. Rhyme hörte nur das Ticken der sichergestellten Uhren.
Vincent verzog das Gesicht. Er sah sie aus kalten Augen an. »Er ist ein Geschäftsmann aus dem Mittelwesten. Er heißt Gerald Duncan. Er wohnt in einer Kirche in Manhattan. Kann ich noch eine Cola haben?«
... Siebenundzwanzig
»Wo ist er jetzt?«, herrschte Dennis Baker ihn an.
»Da war noch jemand, den er...« Vincents Stimme erstarb.
»Töten wollte?«
Der Verdächtige nickte. »Ich weiß nichts Genaues. Er hat Midtown gesagt, glaube ich. Er hat es mir nicht verraten. Ehrlich.«
Sie sahen zu Kathryn Dance, die anscheinend keine Irreführung wahrnahm und nickte.
»Ich weiß nicht, ob er jetzt dort ist oder in der Kirche.«
Er gab ihnen die Adresse.
»Die kenne ich«, sagte Sachs. »Sie wurde vor einer Weile geschlossen.«
Sellitto verständigte die ESU und bat Haumann, einige Einsatzteams zusammenzustellen.
»Er wollte sich in ungefähr einer Stunde mit mir im Village treffen. In der Nähe dieses Hauses in der Gasse.«
Wo Vincent vorgehabt hatte, Kathryn Dance zu vergewaltigen und ermorden, dachte Rhyme. Sellitto ließ mehrere zivile Wagen im Umkreis des Gebäudes Position beziehen.
»Wer ist das nächste Opfer?«, fragte Baker.
»Ich weiß es nicht. Wirklich nicht. Er hat mir nichts von ihr erzählt, weil...«
»Weil?«, fragte Dance.
»Ich würde nichts mit ihr zu tun haben.«
Zu tun haben...
Rhyme begriff es sofort. »Demnach haben Sie ihm geholfen, und im Gegenzug wollte er Ihnen die Opfer überlassen.«
»Nur die Frauen«, versicherte Vincent hastig. »Keine Männer. Ich bin doch nicht gestört oder so... Und erst nachdem sie schon tot waren, also wäre es eigent-lich keine Vergewaltigung. Es ist keine, hat Gerald gesagt. Er hat es nachgeschlagen.«
Dance und Sellitto wirkten ungerührt,
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