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Gehetzte Uhrmacher

Titel: Gehetzte Uhrmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Deaver
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doch selbstverständlich. Ich bin Ihnen gern behilflich. Wissen Sie, das hier ist bloß ein großes...« Er zuckte die Achseln. »... Missverständnis.«
    »Dann wird sich gewiss alles aufklären lassen. Ich brauche nur zunächst ein paar einfache Informationen.« Sie fragte ihn nach seinem vollständigen Namen, seiner Adresse, seinem Alter, wo er arbeite und ob man ihn je verhaftet habe.

    Er runzelte die Stirn. »Das habe ich ihm schon alles gesagt.« Ein Blick zu Sellitto.
    »Bitte verzeihen Sie. Die linke Hand und die rechte Hand, Sie wissen schon. Hätten Sie etwas dagegen, es mir noch mal zu erzählen?«
    »Na ja, also gut.«
    Rhyme vermutete, dass sie sich anhand dieser bereits bekannten Fakten einen grundlegenden ersten Eindruck für die kinesische Analyse verschaffen wollte. Seitdem Kathryn Dance die Meinung des Kriminalisten über Verhöre und Zeugen geändert hatte, war er fasziniert von dieser Prozedur.
    Dance nickte freundlich und notierte sich Vincents Antworten. Zwischendurch dankte sie ihm mehrmals für seine Mitwirkung. Ihre Höflichkeit verwirrte Rhyme. Er selbst wäre wesentlich härter zur Sache gegangen.
    Vincent verzog das Gesicht. »Hören Sie, wir können uns so lange unterhalten, wie Sie wollen, aber ich hoffe, Sie haben jemanden geschickt, der nach dem Mann sucht, den ich gesehen habe. Sie wollen doch nicht, dass er entwischt. Ich mache mir deswegen große Sorgen. Ich möchte helfen, und nun sehen Sie, was passiert – das ist mal wieder typisch für mich.«
    Was er Dance und den Beamten vor Ort über den Verdächtigen erzählt hatte, war hingegen alles andere als hilfreich. In dem Gebäude, in das der Killer angeblich geflohen war, fanden sich keine entsprechenden Spuren.
    »Lassen Sie uns die Fakten bitte noch einmal durchgehen. Erzählen Sie mir, was passiert ist. Nur dieses Mal möglichst in umgekehrter Reihenfolge.«
    »Wie bitte?«
    »Kehren Sie die zeitliche Abfolge um. Auf diese Weise fällt einem oft noch etwas ein. Beginnen Sie mit dem letzten Ereignis, und arbeiten Sie sich von dort aus in der Zeit zurück. Der Verdächtige – er betritt dieses alte Haus in der Gasse... Zunächst einige Details. Welche Farbe hat die Tür?«
    Vincent runzelte die Stirn und rutschte ein wenig auf seinem Stuhl herum. Nach einem Moment fing er an zu erzählen, wie der Mann in dem Haus verschwunden sei (an die Farbe könne er sich nicht erinnern). Dann schilderte Vincent, was unmittelbar zuvor
geschehen sei – der Mann sei die Gasse entlanggerannt. Dann in sie eingebogen. Und davor sei er die Straße hinuntergelaufen. Schließlich berichtete Vincent, wie ihm ein Mann auf der Barrow Street aufgefallen sei, der sich nervös umgeschaut habe und dann plötzlich losgelaufen sei.
    »Okay«, sagte Dance, während sie sich beständig etwas aufschrieb. »Vielen Dank, Vincent.« Sie hielt kurz inne. »Und wieso haben Sie behauptet, Ihr Name sei Tony Parsons?«
    »Weil ich Angst hatte. Ich habe eine gute Tat getan, ich habe Ihnen erzählt, was ich gesehen habe, aber ich musste doch befürchten, der Killer könnte meinen Namen herausfinden und mich umbringen.« Sein Unterkiefer bebte. »Ich wünschte, ich hätte den Mund gehalten. Aber das habe ich nicht, und ich bekam Angst. Ich habe Ihnen gesagt , dass ich Angst habe.«
    Das Gejammer des Mannes ärgerte Rhyme. Nimm ihn in die Mangel, drängte er Kathryn Dance im Stillen.
    Aber sie fragte freundlich: »Erzählen Sie mir von dem Messer.«
    »Okay, das hätte ich nicht dabeihaben dürfen. Aber ich wurde vor ein paar Jahren mal überfallen. Das war schrecklich. Ich bin so dumm. Ich hätte es einfach zu Hause lassen sollen. So etwas passiert mir öfter. Ich denke nicht nach, und dann stecke ich auf einmal in Schwierigkeiten.«
    Dance zog ihre Jacke aus und legte sie auf einen benachbarten Stuhl.
    Er fuhr fort. »Alle anderen sind schlau genug, sich nicht einzumischen. Ich mache den Mund auf, und nun habe ich die Bescherung.« Er sah zu Boden. Seine Mundwinkel zuckten vor Empörung.
    Dance fragte ihn, wie er von den Morden des Uhrmachers erfahren und wo er sich zum Zeitpunkt der anderen Überfälle aufgehalten habe.
    Die Fragen kamen Rhyme merkwürdig vor. Oberflächlich. Diese Frau fragte weder knallhart nach Alibis noch zerpflückte sie die Geschichte des Verdächtigen, wie Rhyme es getan hätte. Immer wenn sich ein guter Ansatzpunkt bot, ignorierte sie ihn. Kein einziges Mal fragte sie, ob der Mann sie aus einem anderen Grund in die Gasse geführt hatte –

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