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Gehetzte Uhrmacher

Titel: Gehetzte Uhrmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Deaver
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nämlich vermutlich, um sie zu ermorden
oder eventuell sogar zu foltern, damit sie verriet, was die Polizei über den Uhrmacher wusste.
    Und während der ganzen Zeit ließ Kathryn Dance keinerlei Reaktion auf die Antworten erkennen, sondern machte sich einfach nur Notizen. Dann sah sie über Vincents Schulter hinweg zu Sachs. »Amelia, würden Sie mir bitte einen Gefallen tun?«
    »Klar.«
    »Könnten Sie Vincent die Fußspur zeigen, die wir gefunden haben?«
    Sachs stand auf, holte den elektrostatischen Abdruck und hielt ihn Vincent vor die Nase.
    »Was ist damit?«, fragte er.
    »Das ist Ihre Schuhgröße, nicht wahr?«
    »Kann sein.«
    Sie sah ihn durchdringend an und schwieg. Rhyme spürte, dass sie eine brillante Falle vorbereitete. Er ließ die beiden nicht aus den Augen...
    »Danke«, sagte sie zu Sachs, die wieder Platz nahm.
    Dance rückte ein kleines Stück weiter vor, ein wenig mehr in den Bereich des Verdächtigen hinein. »Vincent, ich bin neugierig. Wo haben Sie die Lebensmittel gekauft?«
    Er zögerte kurz. »Na, im Food Emporium.«
    Endlich verstand Rhyme. Sie würde ihn über die Lebensmittel aushorchen und ihn dann fragen, wieso er sie in Manhattan gekauft hatte, obwohl er doch in New Jersey wohnte – alles in dem Karren ließ sich auch dort besorgen, noch dazu günstiger. Sie beugte sich vor und nahm die Brille ab.
    Jetzt – würde sie ihn zu fassen kriegen.
    »Danke, Vincent. Ich glaube, das wäre alles«, sagte Kathryn Dance lächelnd. »He, haben Sie Durst? Möchten Sie eine Limonade?«
    Vincent nickte. »Ja, gern.«
    Dance wandte sich an Rhyme. »Können wir bitte etwas zu trinken bekommen?«
    Verblüfft schaute Rhyme zu Sachs, deren Stirn sich in Falten gelegt hatte. Was, zum Teufel, machte Dance da? Sie hatte ihm nicht die geringste Information entlockt. Reine Zeitverschwendung, dachte der Kriminalist. Das ist alles, was sie ihn fragen will?
Und jetzt spielt sie auch noch die bemühte Gastgeberin? Widerstrebend rief er nach Thom, der Dance eine Cola brachte.
    Dance steckte einen Strohhalm hinein und ließ den gefesselten Mann trinken. Er leerte das Glas binnen weniger Sekunden.
    »Vincent, würden Sie uns nun bitte ein paar Minuten entschuldigen? Ich glaube, es kommt alles wieder in Ordnung.«
    »Okay. Sicher.«
    Die Streifenbeamten führten ihn nach draußen. Dance machte hinter ihm die Tür zu.
    Dennis Baker schüttelte den Kopf und sah sie bekümmert an.
    »Völlig wertlos«, murmelte Sellitto.
    Dance runzelte die Stirn. »Nein, im Gegenteil. Es läuft sehr gut.«
    »Ach ja?«, fragte Rhyme.
    »Genau nach Plan... Also, Folgendes. Im Anschluss an ein paar Standardfragen habe ich ihn nach der zeitlich umgekehrten Abfolge der Ereignisse gefragt. Das ist eine gute Methode, um einen Lügner auf frischer Tat zu ertappen. Falls jemand tatsächlich etwas gesehen hat, kann er es in jeder beliebigen Reihenfolge beschreiben, von Anfang bis Ende oder umgekehrt, und zwar ohne jedes Problem. Wenn aber jemand sich etwas ausdenkt, läuft dieser Prozess in nur einer Richtung, nämlich von Anfang bis Ende. Sobald er es in umgekehrter Reihenfolge schildern soll, fehlen ihm die Stichworte, die er sich bei der Erfindung des Szenarios zurechtgelegt hat, und er kommt durcheinander. Auf diese Weise habe ich gleich zu Anfang erfahren, dass er der Assistent des Uhrmachers ist.«
    »Wirklich?«, fragte Sellitto lachend.
    »Oh, das war offensichtlich. Seine Reaktionen waren eindeutig. Und er fürchtet durchaus nicht um seine eigene Sicherheit, wie er behauptet hat. Nein, er kennt den Uhrmacher und ist in die Verbrechen verwickelt, allerdings auf eine Weise, die mir noch unklar ist. Er ist jedenfalls mehr als nur ein Fluchtfahrer.«
    »Aber Sie haben ihn nach nichts von all dem gefragt«, warf Baker ein. »Sollten wir ihn nicht auf seine angeblichen Alibis für die Überfälle auf die Floristin und die Frau in Greenwich Village festnageln?«
    Rhyme war der gleichen Meinung.

    »O nein, das wäre grundlegend falsch. Das sind die Themen, bei denen er sofort mauern würde.« Sie überlegte kurz. »Er ist ein komplizierter Mensch, und in ihm findet ein starker innerer Kampf statt. Nach meiner Einschätzung befindet er sich in der zweiten Phase der Stressreaktionen, der Niedergeschlagenheit. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um nach innen gewandte Wut. Und die lässt sich nur sehr schwer durchbrechen. In Anbetracht seiner Persönlichkeit müsste ich eine einfühlsame Verbindung zu ihm aufbauen, und mit den

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