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Gehetzte Uhrmacher

Titel: Gehetzte Uhrmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Deaver
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Tatort eingetroffen war, hatten die Beamten die hysterische Frau durch die Hintertür des AWS-Gebäudes eintreten und die Toilette im Untergeschoss benutzen lassen, ohne sie zu durchsuchen. Dort hatte sie hinterlegt, was Hale sich nun vom Boden des in die Wand eingelassenen Abfalleimers holte: eine schallgedämpfte Zweiundzwanziger Automatik und zwei Metallscheiben. Es hatte keine andere Möglichkeit gegeben, diese Gegenstände in ein Gebäude zu schmuggeln, in dem jeder Besucher per Metalldetektor und von Hand abgetastet wurde. Hale verstaute alles in seinen Taschen und machte sich auf den Weg in den fünften Stock, wo der Konferenzraum lag.
    Dort entdeckte Hale das wichtigste Stück seines Plans: die beiden großen Blumenarrangements, die Joanne Harper für die Zeremonie angefertigt hatte; eines stand im vorderen Teil des Raumes,
das andere weiter hinten. Aus den frei verfügbaren Informationen über zivile Vertragspartner der öffentlichen Hand hatte Hale in Erfahrung gebracht, dass Joanne das AWS-Gebäude regelmäßig mit Blumen und Pflanzen belieferte. Er war in ihre Werkstatt in der Spring Street eingebrochen, um etwas in den Vasen zu verstecken, die hoffentlich ohne allzu genaue Überprüfung durch die Sicherheitskontrolle gelangen würden, weil Joanne eine seit Jahren bewährte Lieferantin war. Bei dem Einbruch hatte Hale in seiner Umhängetasche nicht nur die mondgesichtige Uhr und seine Werkzeuge mitgebracht, sondern auch zwei Gläser eines Sprengstoffs namens Astrolit, der stärker als TNT oder Nitroglyzerin war. Die klare Flüssigkeit blieb auch dann explosiv, wenn sie von einer anderen Substanz aufgenommen wurde. Hale hatte herausgefunden, welche Blumenarrangements für das AWS-Gebäude bestimmt waren, und das Astrolit unten in die Vasen geschüttet.
    Selbstverständlich hätte er die Einbrüche auch ohne die fiktive Figur des Uhrmachers begehen können, aber falls man ihn dabei gesehen oder hinterher gemerkt hätte, dass etwas fehlt oder nicht am selben Platz wie zuvor lag, hätte man sich die Frage gestellt: Was wollte er dort eigentlich? Also hatte Hale für mehrere Schichten von Motiven gesorgt. Ursprünglich wollte er einfach nur als vermeintlicher Serienmörder auftreten, sich Zutritt zu den vier erforderlichen Örtlichkeiten verschaffen und seinen unglückseligen Assistenten Vincent Reynolds opfern, um die Polizei davon zu überzeugen, dass der Uhrmacher genau das war, was er zu sein schien. Doch dann rief ihn Mitte November ein Kontaktmann des organisierten Verbrechens an und erzählte ihm, ein NYPD-Beamter namens Dennis Baker suche nach einem Auftragskiller, um einen anderen NYPD-Detective aus dem Weg räumen zu lassen. Der Mob würde keine Cops töten, aber vielleicht sei Hale ja interessiert. Er war es nicht, aber er erkannte sofort, dass er Baker als eine zweite Komplikation des Plans benutzen konnte: ein Bürger, der sich an einem korrupten Polizisten rächt. Als Sahnehäubchen fügte er schließlich noch den angeblichen Diebstahl des Delphi-Mechanismus hinzu.
    Ein Motiv zu haben, ist der einzig sichere Weg, erwischt zu werden. Wenn man das Motiv eliminiert, eliminiert man zugleich den Verdacht...

    Nun näherte Hale sich in dem Konferenzraum dem vorderen Blumenarrangement und zupfte es ein wenig zurecht, so wie jeder sorgfältige Soldat es tun würde – ein Soldat, der stolz war, an diesem wichtigen Ereignis teilnehmen zu dürfen. Als niemand hinsah, steckte er eine der von unten mitgebrachten Metallscheiben – elektronische Zünder – in den Sprengstoff, machte sie per Knopfdruck scharf und schob etwas Moos darüber, um sie zu verbergen. Das Gleiche tat er bei der hinteren Vase, die durch ein Funksignal des ersten Zünders detonieren würde. Die beiden wunderschönen Blumenarrangements waren nun tödliche Bomben, mit genug Sprengstoff, um den gesamten Raum zu zerstören.
     
    Die Anspannung in Rhymes Labor war fast greifbar.
    Außer Pulaski, der unterwegs war und einen Auftrag für Rhyme erledigte, starrten alle den Kriminalisten an, der wiederum die Beweistabellen musterte; sie standen vor ihm wie gehorsame Soldaten, die seine Befehle erwarteten.
    »Es gibt noch zu viele offene Fragen«, sagte Sellitto. »Du weißt, was passieren wird, wenn wir diesen Knopf drücken.«
    Rhyme schaute zu Amelia Sachs. »Was meinst du?«, fragte er.
    Ihre wohlgeformten Lippen strafften sich. »Ich glaube, uns bleibt keine andere Wahl. Ich sage, ja.«
    »O Mann«, stöhnte Sellitto.
    »Ruf an«, sagte

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