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Gehetzte Uhrmacher

Titel: Gehetzte Uhrmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Deaver
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Gesellschaft vergingen, indem sie die eigenen Jungs und – Gott behüte – Mädchen auf fremdem Boden in den Tod schickten, zum Wohle eines ausländischen Volkes, das zurückgeblieben, grausam und nichtchristlichen Glaubens war.
    Hale hatte es geschafft, sich den endlosen Tiraden seiner Auftraggeber zu entziehen und stattdessen mit der Arbeit zu beginnen. An Halloween war er nach New York gekommen und in das Versteck in Brooklyn gezogen. Danach hatte er sich anderthalb Monate lang in die Konstruktion seines Uhrwerks vertieft – er hatte Vorräte gekauft, sich nichts ahnende Helfer gesucht (Dennis Baker und Vincent Reynolds), so viel wie möglich über die vermeintlichen Opfer des Uhrmachers in Erfahrung gebracht und das AWS-Gebäude beobachtet.
    Dem er sich nun in der bitterkalten Vormittagsluft näherte.
    Das Haus war für die Zeremonien und Konferenzen nicht wegen
seiner eigentlichen Funktion ausgewählt worden – denn das Amt hatte natürlich nichts mit dem Militär zu tun -, sondern weil es in Lower Manhattan kein anderes Verwaltungsgebäude mit einem so hohen Sicherheitsstandard gab. Die Mauern bestanden aus dickem Kalkstein; falls es einem Terroristen irgendwie gelingen würde, sich durch die Straßensperren zu mogeln und eine Autobombe zu zünden, würde die Explosion weniger Schaden anrichten als bei einer modernen Glasfassade. Das AWS-Gebäude war zudem niedriger als die meisten anderen Behördenbauten in Downtown und würde daher nicht so leicht von einer Rakete oder einem Selbstmordflugzeug zu treffen sein. Es verfügte nur über eine begrenzte Anzahl von Zugängen, die sich entsprechend einfacher überwachen ließen. Der Raum, der für die Zeremonie und später die Strategiebesprechung vorgesehen war, lag gegenüber einer fensterlosen Wand des Nachbargebäudes jenseits der Gasse, sodass kein Scharfschütze hineinschießen konnte.
    Rechnete man nun noch die zwei Dutzend Soldaten und Polizisten hinzu, die mit ihren automatischen Waffen die umliegenden Straßen und Hausdächer absicherten, hatte man eine praktisch uneinnehmbare Festung vor sich.
    Zumindest bei Angriffen von außen.
    Aber niemand ahnte, dass die Bedrohung nicht dort draußen lag.
    Charles Hale zeigte seine drei militärischen Dienstausweise vor, von denen zwei speziell für diese Veranstaltung angefertigt und den Teilnehmern erst vor zwei Tagen zugestellt worden waren. Er wurde durch den Metalldetektor geschickt und dann zusätzlich von Hand abgetastet.
    Ein letzter Posten, ein Corporal, überprüfte seine Ausweise ein zweites Mal und salutierte. Hale erwiderte den Gruß und ging hinein.
    Das AWS-Gebäude war verwinkelt, aber Hale drang schnell bis in den Keller vor. Er kannte die Örtlichkeiten genau, denn das fünfte angebliche Opfer des verrückten Uhrmachers, Sarah Stanton, war die leitende Kundenberaterin der Bodenbelagshandlung, die hier im Haus Teppichboden und Linoleum verlegt hatte, wie er aus den öffentlich zugänglichen Unterlagen über die Auftragsvergabe bei Regierungsbauten wusste. In Sarahs Aktenschränken
hatte er präzise Zeichnungen jedes einzelnen Zimmers und Korridors gefunden. (Ihr Büro lag auf derselben Etage wie eine Lieferfirma – bei der er sich vorhin telefonisch beschwert hatte, ein Paket an das Metropolitan Museum sei nicht zugestellt worden. Damit sollte der Eindruck genährt werden, er wolle den Delphi-Mechanismus stehlen.)
    Tatsächlich stellten sogar alle »Überfälle«, die der Uhrmacher in dieser Woche begangen hatte – mit Ausnahme des Blutbads auf dem Pier, das einzig und allein für Aufmerksamkeit sorgen sollte -, wichtige Schritte für die heutige Mission dar: die Bodenbelagsfirma, Lucy Richters Wohnung, die Gasse an der Cedar Street und die Floristenwerkstatt.
    Bei Lucy war er eingebrochen, um zwecks späterer Fälschung die Sonderausweise zu fotografieren, mit denen die Soldaten Zutritt zu der bevorstehenden Zeremonie erhalten würden (er hatte Lucys Namen in einem Zeitungsartikel über das Ereignis gelesen). Außerdem hatte er sich das streng vertrauliche Memo des Verteidigungsministeriums kopiert, das man Lucy geschickt hatte, um sie über den Ablauf und die Sicherheitsmaßnahmen im AWS-Gebäude zu informieren.
    Der scheinbare Mord an dem fiktiven Teddy Adams hatte ebenfalls einem Zweck gedient. Hale hatte die Leiche des Unfallopfers aus Westchester in der Gasse hinter genau diesem Haus platziert. Als Charlotte Allerton – in der Rolle der vor Schmerz fast wahnsinnigen Schwester – am

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