Gehetzte Uhrmacher
ein paar Drinks genehmigen.«
Wenig später kam Pulaski zurück, wie üblich mit umfangreichen Notizen. Dieser Kerl schreibt sich einfach alles auf, dachte Sachs.
»Also, wie ist es gelaufen?«
Pulaski musste sich ein Grinsen verkneifen. »Ganz gut, schätze ich.«
»Sie haben’s durchgezogen, ja?«
Er zuckte die Achseln. »Nun, der Dienst habende Sergeant wollte mich nicht reinlassen, aber ich hab ihn nur durchdringend angestarrt, als wollte ich sagen: Was, zum Teufel, fällt dir ein? Willst du etwa bei der Police Plaza anrufen und denen erzählen, dass sie deinetwegen ihr Formular nicht bekommen? Er hat sofort klein beigegeben. Ich war überrascht.«
»Gute Arbeit.« Sie berührte mit ihrer Faust seine Faust und konnte ihm ansehen, wie stolz der junge Mann auf seine Leistung war.
Sachs fuhr los und verließ das East Village. In sicherer Entfernung hielt sie an und verglich gemeinsam mit Pulaski die jeweiligen Mengenangaben.
Nach zehn Minuten waren sie fertig. Die im Revier registrierten Mengen und die Daten der Staatsanwaltschaft lagen sehr dicht beieinander. Die Differenz eines ganzen Jahres betrug lediglich knapp zweihundert Gramm Haschisch und etwa hundertzehn Gramm Kokain.
»Und keiner der Einträge hat frisiert ausgesehen«, sagte Pulaski. »Ich dachte mir, ich achte mal darauf.«
Demnach schied eines der Motive aus – dass nämlich die Beamten aus der St. James Tavern und Creeley gemeinsam Drogen verkauften, die aus der Asservatenkammer des Hundertachtzehnten stammten. Die kleine Fehlmenge konnte durch die Labortests aufgebraucht worden sein. Vielleicht hatte auch jemand etwas verschüttet oder die Drogen am Fundort ungenau abgewogen.
Doch selbst wenn die Cops sich nicht aus dem Giftschrank bedienten, konnte es sich bei ihnen natürlich trotzdem um Dealer handeln. Unter Umständen hatten sie einen eigenen Lieferanten. Oder sie zweigten bei einer Razzia einen Teil der Drogen ab, bevor die Beweise registriert wurden. Womöglich war auch Creeley der Lieferant gewesen.
Pulaskis erste verdeckte Ermittlung beantwortete eine Frage, aber andere blieben offen.
»Okay, weiter im Programm, Ron. Möchten Sie eine Kellnerin oder einen Geschäftsmann?«
»Das ist mir eigentlich egal. Wollen wir eine Münze werfen?«
»Der Uhrmacher hat die Uhren vermutlich bei Hallerstein’s Timepieces gekauft.« Mel Cooper legte den Hörer auf und sah Rhyme und Sellitto an. »Im Flatiron District.«
Bevor Sachs ihn zur Arbeit am Fall Creeley abgezogen hatte, war es Pulaski gelungen, den für den Nordosten der USA zuständigen Großhändler von Arnold Products ausfindig zu machen. Der Geschäftsführer hatte soeben bei ihnen zurückgerufen.
Cooper berichtete, über die Seriennummern werde dort zwar nicht Buch geführt, aber falls die Uhren tatsächlich im Großraum New York verkauft worden seien, dann von Hallerstein’s, dem einzigen Anbieter der Gegend. Der Laden lag südlich von Midtown in dem Viertel, das nach dem historischen Gebäude an der Ecke Fünfte Avenue und Dreiundzwanzigste Straße benannt war, dessen dreieckige Form an ein altmodisches Bügeleisen erinnerte.
»Überprüf die Firma«, wies Rhyme ihn an.
Cooper suchte online. Hallerstein’s besaß keinen eigenen Internetauftritt, wurde aber auf mehreren anderen Seiten erwähnt, die antike Uhren zum Verkauf anboten. Der Betrieb existierte schon seit Jahren. Eigentümer war ein gewisser Victor Hallerstein, ein Mann ohne Vorstrafen. Sellitto blockierte die Rufnummernübermittlung seines Handys und rief in dem Geschäft an, um sich nach den Öffnungszeiten zu erkundigen. Er gab vor, ein Kunde zu sein, und fragte, ob er mit Hallerstein persönlich spreche. Der Mann bejahte. Der Detective bedankte sich und unterbrach die Verbindung.
»Ich fahre hin und hör mir mal an, was er zu sagen hat.« Sellitto zog seinen Mantel an. Es war stets besser, unerwartet aufzutauchen. Wer seinen Besuch telefonisch ankündigte, gab dem Zeugen Gelegenheit, sich Lügen auszudenken, ob dieser nun etwas zu verbergen hatte oder nicht.
»Warte, Lon«, sagte Rhyme.
Der massige Detective sah ihn an.
»Was ist, falls er dem Uhrmacher nichts verkauft hat?«
Sellitto nickte. »Ja, daran habe ich auch schon gedacht – er könnte selbst der Uhrmacher sein oder ein Komplize oder Kumpel des Täters.«
»Oder vielleicht steckt er hinter der ganzen Sache, und der Uhrmacher arbeitet für ihn.«
»Schon möglich. Aber, he, keine Angst. Ich hab mir was überlegt.«
Mit dem
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