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Gehetzte Uhrmacher

Titel: Gehetzte Uhrmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Deaver
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rhythmischen Klang irischer Harfenmusik in den Ohren sah Kathryn Dance, Special Agent beim California Bureau of Investigation, auf dem Weg zum Kennedy Airport gedankenverloren die Straßen von Lower Manhattan an sich vorbeiziehen.
    Weihnachtsdekorationen, winzige Lichter und schäbige Papptafeln. Und Liebespaare. Arm in Arm, Handschuh in Handschuh. Beim Einkaufsbummel. Im Urlaub.
    Sie dachte an Bill. Fragte sich, ob es ihm hier gefallen hätte.
    Komisch, wie genau man manche Details im Gedächtnis behält – auch noch nach zweieinhalb Jahren, was unter anderen Umständen eine mächtig lange Zeit ist.
    Mrs. Swenson?
    Ich heiße Kathryn Dance. Swenson ist der Name meines Mannes.
    Oh. Nun, hier spricht Sergeant Wilkins. CHP.
    Wieso sollte die Highway Patrol sie zu Hause anrufen und sie nicht als Agent Dance ansprechen?
    Dance, die nicht unbedingt eine begnadete Köchin war, hatte das Abendessen vorbereitet, dabei halblaut ein Lied von Roberta Flack vor sich hin gesungen und versucht, mit dem Zubehör ihrer Küchenmaschine zurechtzukommen. Sie wollte eine Erbsencremesuppe kochen.
    Ich muss Ihnen leider eine traurige Mitteilung machen, Mrs. Dance. Es geht um Ihren Mann.
    Sie war erstarrt, mit dem Telefon in der einen und dem Kochbuch in der anderen Hand, den Blick unverwandt auf das Rezept gerichtet, während die Worte des Anrufers allmählich sackten. Dance sah immer noch die Seite des Kochbuchs vor sich, obwohl sie nur dieses eine Mal darin gelesen hatte. Sie konnte sich sogar an die Bildunterschrift erinnern. Eine herzhafte, wohlschmeckende
Suppe, die Sie blitzschnell auf den Tisch zaubern können. Und sie ist außerdem nahrhaft.
    Sie konnte das Rezept auswendig hersagen.
    Obwohl sie die Suppe noch nie zubereitet hatte.
    Kathryn Dance wusste, dass es noch eine Weile dauern würde, bis sie geheilt war – nun ja, »geheilt« war das Wort, das ihre Therapeutin benutzte. Aber sie hatte erkannt, dass das nicht stimmte, denn man war nie wirklich geheilt. Eine Wunde, die vernarbt, stellt immer noch eine Narbe dar. Mit der Zeit tritt Taubheit an die Stelle der Schmerzen. Aber das Gewebe ist auf ewig verändert.
    Nun, im Taxi, musste Dance unwillkürlich lächeln, als ihr bewusst wurde, dass sie die Arme verschränkt und die Beine angezogen hatte. Eine Kinesik-Expertin weiß genau, was diese Gesten zu bedeuten haben.
    Die Straßen kamen ihr alle gleich vor – dunkle Schluchten, grau und trüb braun, unterbrochen durch grelles Neon: Geldautomat. Salatbar. Maniküre $9,95 . Ein herber Kontrast im Vergleich zu der Halbinsel, auf der Monterey lag, mit all den Kiefern und Eichen, dem Eukalyptus und den sandigen Stellen, auf denen hier und da saftige Grünpflanzen wuchsen. Das muffig riechende Taxi kam nur langsam voran. Der Ort, in dem sie wohnte, Pacific Grove, war ein Städtchen aus viktorianischer Zeit, zweihundert Kilometer südlich von San Francisco. Es lag mit seinen achtzehntausend Einwohnern zwischen dem eleganten Carmel und dem emsigen Monterey, das dank Steinbecks Straße der Ölsardinen zu einigem Ruhm gelangt war, und konnte in der gleichen Zeit durchquert werden, die der Chevy für die letzten vier Blocks benötigt hatte.
    Dunkel und überfüllt, chaotisch und gnadenlos hektisch, dachte Kathryn beim Blick auf die Straßen der Stadt. Trotzdem liebte sie New York City. (Sie war immerhin süchtig nach Menschen und hatte noch nie so viele davon auf einem Fleck gesehen.) Dance fragte sich, was ihre Kinder wohl von der Stadt halten würden.
    Maggie wäre begeistert, da war Dance sich sicher. Sie konnte sich mühelos vorstellen, wie die Zehnjährige mitten auf dem Times Square stehen und mit fliegendem Zopf gebannt von den Anzeigetafeln zu den Passanten und weiter zu den Straßenhändlern und dem Verkehrsstrom starren würde, der sich in Richtung der Broadway-Theater wälzte.

    Wes? Bei ihm wäre es anders. Er war zwölf und hatte seit dem Tod seines Vaters eine schwere Zeit durchgemacht. Doch sein Humor und seine Zuversicht schienen endlich zurückzukehren. Schließlich hatte Dance es riskiert, ihn bei seinen Großeltern zu lassen, während sie nach Mexiko geflogen war, um den Entführer zu verhören, ihre erste Auslandsreise seit Bills Tod. Laut Kathryns Mutter hatte Wes die Situation gut bewältigt, und so war die Entscheidung für dieses Seminar gefallen; das NYPD und die Staatspolizei hatten sich schon seit einem Jahr um eine entsprechende Gelegenheit bemüht.
    Dennoch wusste sie, dass sie auf den schmalen, hübschen

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