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Gehetzte Uhrmacher

Titel: Gehetzte Uhrmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Deaver
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schaute kurz zu Vincent. »Man kann sogar erkennen, dass die Erde und die Planeten die Sonne umkreisen , was für die damalige Zeit revolutionär und ketzerisch war – tausend Jahre vor dem kopernikanischen Modell des Sonnensystems. Verblüffend.«
    Vincent erinnerte sich, in der Highschool irgendetwas über Kopernikus gehört zu haben – aber noch besser entsann er sich eines
bestimmten Mädchens aus seiner Klasse, Rita Johansson. Am liebsten war ihm die Erinnerung an einen Spätnachmittag im Herbst, als die dickliche Brünette bäuchlings auf einem Feld in der Nähe der Schule gelegen und trotz des Jutesacks über ihrem Kopf mit höflicher Stimme gesagt hatte: »Bitte nicht, bitte, bitte nicht.«
    »Und achte auf diese Scheibe da«, sagte Duncan und riss Vincent aus dem schönen Tagtraum.
    »Die silberne?«
    »Das ist Platin. Reines Platin.«
    »Das ist noch wertvoller als Gold, richtig?«
    Duncan antwortete nicht. »Sie zeigt den Mondkalender. Aber einen sehr besonderen. Der gregorianische Kalender – das ist der, den wir benutzen – hat dreihundertfünfundsechzig Tage und unregelmäßige Monate. Der Mond kalender ist einheitlicher – seine Monate sind stets gleich lang. Aber sie richten sich nicht nach der Sonne, was bedeutet, dass der Mondmonat, der dieses Jahr beispielsweise am fünften April beginnt, im nächsten Jahr an einem anderen Tag seinen Anfang nimmt. Der Delphi-Mechanismus zeigt eine Kombination aus Mond- und Sonnenkalender an, einen lunisolaren Kalender. Ich hasse sowohl den reinen gregorianischen als auch den reinen Mondkalender.« In seiner Stimme lag Leidenschaft. »Sie sind unstimmig.«
    Er hasst sie?, dachte Vincent.
    »Der lunisolare Kalender hingegen ist elegant und harmonisch. Wunderschön.«
    Duncan wies auf die Anzeigen des Delphi-Mechanismus. »Viele Leute halten ihn nicht für echt, weil heutige Wissenschaftler die Berechnungen nur mit Hilfe von Computern nachvollziehen können. Sie wollen nicht glauben, dass jemand vor dermaßen langer Zeit eine so hoch entwickelte Rechenmaschine gebaut hat. Aber ich bin von seiner Echtheit überzeugt.«
    »Ist er viel wert?«
    »Er ist unbezahlbar.« Duncan hielt kurz inne. »Es ranken sich Dutzende von Gerüchten um ihn – angeblich enthält er den Schlüssel zu den Geheimnissen des Lebens und des Universums.«
    »Glauben Sie das auch?«
    Duncan starrte weiterhin auf das im Licht glänzende Metall. »In gewisser Weise. Bewirkt der Mechanismus irgendetwas Übernatürliches?
Selbstverständlich nicht. Aber er tut etwas Wichtiges: Er vereinheitlicht die Zeit. Er hilft uns zu verstehen, dass es sich um einen endlosen Fluss handelt. Der Mechanismus geht mit einer Sekunde nicht anders um als mit einem Jahrtausend. Und er war irgendwie in der Lage, all jene Intervalle mit nahezu hundertprozentiger Genauigkeit zu messen.« Er deutete auf den Kasten. »Im Altertum hielt man die Zeit für eine eigenständige Macht, eine Art Gottheit mit eigenen Kräften. Der Mechanismus verkörpert diese Sichtweise, könnte man sagen. Ich glaube, wir alle wären besser beraten, die Zeit auf diese Weise zu betrachten: dass eine einzige Sekunde genauso mächtig sein kann wie eine Pistolenkugel, ein Messer oder eine Bombe. Sie kann noch in tausend Jahren Auswirkungen haben. Kann dort zu umfassenden Veränderungen führen.«
    Das große Ganze ...
    »Ziemlich beeindruckend.«
    Vincents Tonfall verriet zwar, dass er Duncans Begeisterung nicht teilte. Aber das schien in Ordnung zu sein. Der Killer sah auf seine Taschenuhr. Dann lachte er auf, was nur selten geschah. »Du hast genug von meinem verrückten Geplapper. Lass uns unser Blumenmädchen besuchen gehen.«
     
    Das Leben des Streifenbeamten Ron Pulaski bestand aus seiner Frau und den Kindern, seinen Eltern und seinem Zwillingsbruder, dem Häuschen in Queens und einigen kleinen Freuden: Er veranstaltete Grillabende mit Freunden und deren Ehefrauen (er machte seine eigenen Barbecue- und Salatsoßen), er ging joggen, er kratzte etwas Geld für den Babysitter zusammen und schlich sich mit seiner Frau ins Kino, und er arbeitete gern in dem Garten hinter dem Haus, der so klein war, dass sein Bruder ihn einen grünen Bettvorleger nannte.
    Einfaches Zeug. Daher war Pulaski relativ unbehaglich zumute bei dem Gedanken, dass er nun auf Jordan Kessler treffen würde, Benjamin Creeleys Partner. Nachdem der Münzwurf in Sachs’ Camaro ihm den Geschäftsmann und nicht die Kellnerin eingebracht hatte, hatte Ron telefonisch ein Gespräch

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