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Gehirnfluesterer

Gehirnfluesterer

Titel: Gehirnfluesterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Dutton
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Doch kann man sich auch nicht erlauben, sich von der Angst lähmen zu lassen, wenn etwas schiefgeht. In der Hitzedes Gefechts ist kein Platz für Panik. Man muss um hundertprozentige Konzentration kämpfen, was immer geschieht. Man muss
     erbarmungslos sein und das höchste Vertrauen in sich selbst haben, wissen, dass man seinen Job machen wird. Das Gehirn ist
     die Hochsee der aktuellen Medizin, und die Neurochirurgen operieren dort als Piraten und Freibeuter.«
    Diese Aussage mag Menschen schockieren, die sich einer Gehirnoperation unterziehen müssen. Aber dafür besteht kein Grund,
     ganz im Gegenteil. Eine solche Disposition ist weit verbreitet gerade bei Menschen, die auf eine erfolgreiche Laufbahn in
     risikobehafteten Berufen zurückblicken können. Stanley Rachman von der Harvard University hat das schon in den 1980er-Jahren
     in einer Reihe von Studien herausgefunden. Diese Studien gelten heute als wegweisend, nicht zuletzt wegen ihrer Teilnehmer:
     Experten für das Entschärfen von Bomben. Rachman wollte wissen, welche Eigenschaften ein solcher Beruf verlangt. Und weiter
     zugespitzt – was unterscheidet einen exzellenten Bombenentschärfer von einem, der seinen Job nur »gut« macht? Er begann mit
     einer Gruppe erfahrener Männer, die ihrem gefährlichen Job zehn oder mehr Jahre nachgegangen waren. Diejenigen unter ihnen,
     die für ihre Arbeit einen Orden erhalten hatten, unterschieden sich, wie Rachman herausfand, fundamental von jenen, die ohne
     Ehrung geblieben waren. Und er konnte zeigen, dass dieser Unterschied in ihrer jeweiligen Physiologie lag.
    Die Herzfrequenz derjenigen, die
nicht
ausgezeichnet worden waren, blieb auch bei Aufgaben stabil, die erhöhte Aufmerksamkeit erforderten (die also am hochriskanten
     Ende des Gefahrenspektrums lagen). Ein außerordentlicher Befund. Noch verblüffender war allerdings der Befund bei den dekorierten
     Bombenentschärfern: Ihre Herzschlagfrequenz blieb nicht nur stabil, sie sank sogar. Genauere Untersuchungen zu der Frage,
     welchen Einfluss bestimmte Persönlichkeitsvariablen auf Leistung und Regelung des Kreislaufsystems haben, enthüllten den Grund
     für die sinkende Frequenz. Wie sich herausstellte, gab es nicht nur einen, sondern zwei Faktoren dafür. Einerseits hatte Rachmanfestgestellt, dass bei manchen Menschen quasi Eis durch die Adern floss. Den zentralen Unterschied aber machte eine weitere
     Eigenschaft aus: das Selbstvertrauen. 4
    Die gehörige Portion Selbstvertrauen kann uns natürlich in allen Bereichen des Lebens helfen, nicht nur dann, wenn ein Zeitzünder
     samt Kabelgewirr vor uns liegt oder wenn wir mit Skalpell und Schädelsäge hantieren. Auch auf dem Golfplatz, bei einem Vorstellungsgespräch,
     auf dem Börsenparkett, in einem Nachtclub. Nicht nur die Fähigkeit selbst, mehr noch der Glaube an diese Fähigkeit gibt den
     Ausschlag. Fragen Sie die Opfer weltbekannter Trickbetrüger.
    Robert Hendy-Freegard ist gewissermaßen der Hannibal Lecter unter ihnen. 5 Seine Macht der Beeinflussung ist so groß, dass er in seiner Hochsicherheitsunterkunft in Einzelhaft gehalten wurde, um sowohl
     seine Mithäftlinge wie auch das Wachpersonal vor seiner Ausstrahlung zu schützen. Über einen Zeitraum von fast zehn Jahren
     gelang es diesem Mann, im Gewand eines Autohändlers seine Opfer davon zu überzeugen, dass er ein Agent des britischen Geheimdienstes
     MI5 sei, im verdeckten operativen Einsatz gegen die IRA.   Und er könne seine Opfer, wenn sie das nur wollten, ebenfalls im britischen Secret Service unterbringen. Währenddessen wanderten
     die finanziellen Vorschüsse, die er für den »Schutz der Staatssicherheit benötigte«, von ihren Konten auf die des Betrügers.
     Detective Superintendent Bob Brandon von der Londoner Metropolitan Police Force nannte Hendy-Freegard »den perfektesten Lügner,
     dem ich inmeinen 25   Jahren bei der Polizei je begegnet bin. Er war charmant, er hörte sorgfältig zu, er fand jede Charakterschwäche, jede verletzliche
     Stelle heraus und nutzte das skrupellos aus. Wenn er die Kontrolle über seine Opfer gewonnen hatte, dann zog er sein Ding
     durch, bis er ihnen Vermögen und Würde geraubt hatte.« Einige dieser Opfer waren extrem gebildete Menschen, einer davon sogar
     Kinderpsychologe. Hendy-Freegard selbst hat die Schule mit vierzehn Jahren verlassen.
     
    Was also machte ihn so überzeugend?
    Eines der Opfer erinnert sich: »Sein Selbstvertrauen war unwiderstehlich. Und seine Manieren absolut

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