Gehirnfluesterer
Reservierung in einem
der angesagten Restaurants der Stadt.
SCHRITT 3: Kommt ein Mann an die Tür, entschuldige dich: Es war die falsche Adresse. Beginne anderswo wieder bei Schritt 2.
SCHRITT 4: Öffnet eine Frau, frage nach »Carmella« (oder einem ähnlich ungewöhnlichen Namen). Sie wird nicht da sein, denn
es gibt keine »Carmella«.
SCHRITT 5: Wenn du hörst, dass da keine Frau dieses Namens wohnt, erkläre mit einer sorgfältig eingeübten Mischung aus Enttäuschung
und Verlegenheit, du habest Carmella vor einigen Tagen in einer Bar kennengelernt und für den heutigen Abend zum Essen eingeladen.
Sie habe dir diese Adresse gegeben. Verflucht, sie hat dich verschaukelt.
SCHRITT 6: Nun eine kleine Prise Humor: »Wahrscheinlich war ich zu gut für sie!«
SCHRITT 7: Warte auf eine Reaktion. Du hast gute Chancen, dass sie verständnisvoll ausfällt. (Wenn nicht, entschuldige dich
und verzieh dich.)
SCHRITT 8: Wenn ja, mische eine Prise hoffnungsvollen Optimismus in deine Enttäuschung und Verlegenheit: »Hm, das klingt jetzt
bestimmt ziemlich verrückt, aber wenn Sie keine anderen Pläne haben (hätte sie welche, wäre sie freitagabends um 20 Uhr gewiss nicht mehr zu Hause) und ich nun schon mal da bin – Sie hätten nicht vielleicht Lust, mich zu begleiten …«
SCHRITT 9: Der Tisch für zwei.
Spencer verbindet alle fünf Komponenten des SPIC E-Modells zu einem Cocktail aus der Fünf-Sterne-Bar der Verführung.
Einfachheit und gefühltes Eigeninteresse: Das ist evident.
Inkongruenz, der Überraschungseffekt: Wie oft steht freitagabends ein gutaussehender, witziger und (das Wichtigste) des Trosts
bedürftiger Ritter in Armani-Rüstung vor der Tür einer Frau? Und das mit einer unwiderstehlichen Einladung zum Essen?
(Selbst-)Vertrauen: Hand aufs Herz, hätten Sie sich das getraut?
Empathie – Freitagabend, 20 Uhr, eine Einladung? Wie lange dauert es, bis das Fertiggericht im Mülleimer landet? Wie mir Freundinnen versichert haben,
nicht lange, vor allem dann nicht, wenn ein Typ wie Spencer vor der Tür steht.
Doch sind die Motive eines Psychopathen nicht immer so freundlicher Natur. Sie tauchen nicht nur an der Tür auf, um einen
zu einem feinen Essen mitzunehmen. Manchmal landet man auch woanders. Das musste die Polizei von Manchester vor ein paar Jahren
feststellen.
In der Höhle des Löwen
Im Juli 2007 wurde die Polizei in ein Haus im englischen Manchester gerufen. Ein Nachbar hatte Lärm gehört und zum Hörer gegriffen.
Selbst die Hartgesottenen unter den Beamten, die glaubten, sie könne nichts mehr erschüttern, waren schockiert. Eine Frau
in den Dreißigern war mit einem Hammer erschlagen worden, auch die achtzehnjährige Tochter und der dreizehnjährige Sohn lagen
in ihrem Blut. Überall Blut und andere Körperflüssigkeiten. Der Mord war sofort auf allen Titelseiten.
Noch am selben Abend nannte die Kriminalpolizei den Namen eines Mannes im Fernsehen, von dem man annahm, er sei der Täter.
Angesichts der Grausamkeit der Morde und der großen Gefahr, die der Mörder für die Öffentlichkeit darstellte, riskierten sie
die Veröffentlichung des Namens. Die Vorschrift, den Namen von Verdächtigen zu schützen, war eine Sache, das Leben der Menschen
in Manchester eine andere. Darum erklärte Detective Superintendent Paul Savill von der Greater Manchester Police den T V-Zuschauern : »Wir suchen Pierre Williams. Wenn Sie wissen, wo er sich aufhält, vermeiden Sie jeden Kontakt mit ihm. Er ist gewalttätig
und hochgefährlich, sehr wahrscheinlich auch bewaffnet. Wenn Sie Informationen über seinen Verbleib haben, melden Sie sich
umgehend bei der Polizei.«
Wenige Stunden später erhielt Savill einen Anruf. Eine Stimme sagte ruhig und sachlich: »Hier ist Pierre Williams. Ich habe
gerade im Fernsehen gehört, dass ich wegen Mordes gesucht werde. Ich komme zu Ihnen.«
Savill knurrte: »Wenn das ein Scherz sein soll, ich bin nicht in der Stimmung dafür.«
Es war kein Scherz. Kurz darauf erschien Williams, wie angekündigt. Und Savill geriet in Panik. Sein Problem war die Zeit.
Und die war knapp. Savill wusste – wie Williams sicher auch –, dass ein Verdächtiger, der zur Befragung in Haft genommen wird, nach englischem Recht nach 92 Stunden wieder entlassen werden muss, wenn bis dahin keine stichhaltigen Beweise für eine Anklage vorliegen. Die Ermittlungen
hatten gerade begonnen, noch gab es keine stichhaltigen Beweise, nur den
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