Gehirnfluesterer
jeden Schlüssel ein Schlüsselloch? Oder kann auch perfekte Beeinflussung scheitern?
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Grenzen der Beeinflussung
Ein Mann geht nachts durch die Straßen von Belfast. Plötzlich hält ihm jemand eine Waffe an den Kopf.
»Protestant oder Katholik?«, fragt eine Stimme.
Der Mann denkt kurz nach und antwortet: »Jude.«
»Dann muss ich der glücklichste Araber in ganz Irland sein«, sagt die Stimme.
Mitten im Zweiten Weltkrieg ist Winston Churchill inkognito auf dem Weg zu einem geheimen Ort, um im Rundfunk eine Rede an
die Nation zu halten. Sein Begleiter hält ein Taxi an und nennt dem Fahrer die Adresse.
»Es tut mir sehr leid«, antwortet der. »Aber ich bin auf dem Weg nach Hause. In fünf Minuten spricht der Premierminister im
Radio. Das will ich auf keinen Fall versäumen.«
Churchill ist beeindruckt von der Loyalität des Mannes und flüstert seinem Begleiter zu, er solle ihm 10 Pfund als Trinkgeld in die Hand drücken.
»Scheiß auf den Premierminister«, sagt der Fahrer. »Wo wollen Sie hin?«
Spieglein, Spieglein
Der amerikanische Humorist Henry Louis Mencken hat einmal gesagt, es gibt für jedes Problem eine Lösung, die einfach, klar
und
falsch
ist. Was wäre die andere Seite dieser Medaille? Dass es für jedes Problem eine Lösung gibt, die einfach, klar und
richtig
ist. Kann es für Überzeugung auch so etwas wie eine platonische Idee geben, eine Art Urbild, eine makellos, perfekte Form,
eine Art Generalschlüssel der Beeinflussung? Wie wahrscheinlich ist der Gedanke, dass es so etwas gibt – dass dadurch jede
Meinung zu jeder Zeit
wirklich
geändert werden kann? Und wenn es so etwas gäbe – was für eine Art Generalschlüssel wäre das dann? Wie kann man ihn finden?
Vor einigen Jahren, als ich begann, mich mit dem Thema zu befassen, sprach ich mit Robert Cialdini. Der Professor für Psychologie
und Marketing an der Arizona State University und einer der weltweit führenden Experten für Beeinflussung, ist uns im Verlauf
des Buchs schon mehrfach begegnet. Ich wollte von ihm wissen, ob auch er der Meinung sei, dass Beeinflussung keine Grenzen
kennt, zumindest in der Theorie nicht. Er stimmte mir zu: »Wenn du dir ansiehst, was in Jonestown geschehen ist, wie es diesem
Jim Jones gelang, 900 Menschen zum Selbstmord zu bringen, dann liegt hier ein besonders extremer Fall der Bewusstseinsveränderung vor. Vielleicht
hat eine kurzfristige Beeinflussung ihre Grenzen, aber wenn sie über längere Zeiträume erfolgt … da bin ich mir nicht so sicher.«
Lange war ich der Meinung, dass er recht hatte. Ich glaubte sogar, dass man noch einen Schritt weiter gehen könne. Die Beispiele
für außergewöhnliche Meinungsänderungen, auf die ich im Lauf der Zeit gestoßen war, schienen auf irgendeinen grundlegenderen
Faktor hinzuweisen. Ich ging davon aus, dass nicht nur die situativ-kurzfristige Beeinflussung keine Grenzen kennt. Sondern
dass darüber hinaus die Macht der Beeinflussung auch längerfristig gilt, dass sie unbegrenzt ist. Dass es für diese Frage
irgendwo da draußen eine Antwort gab. Man musste sie nur finden.
Aber dann hatte ich eine Begegnung, die meine Ansichten gründlich umkrempelte. Ich traf den Spiegelmann. Das war im Frühjahr
2008. Max Coltheart, damals noch Psychologieprofessor an der Macquarie University in Sydney, heute im Ruhestand, hatte bei einer
Konferenz von diesem Mann gesprochen. Der Fall hatte mich sofort fasziniert. Ich schickte Coltheart eine E-Mail und fragte, ob ich ihn besuchen dürfe. Aber ja, sagte er, ich solle jedoch keine Wunder erwarten. Werde ich nicht, schrieb
ich (nicht ganz ehrlich) und nahm ein Flugzeug nach Australien.
Der Spiegelmann ist einer der seltsamsten Fälle in den Annalen der Neuropsychologie, und davon gibt es nicht gerade wenige.
Die Begegnung fand statt in Colthearts Labor in Sydney. Dort, am University of Macquarie’s Centre for Cognitive Science, hat
Coltheart das Belief Formation Program begründet – ein Projekt zur Erforschung von Wahnvorstellungen und ihren Ursachen. Coltheart
und seine Mitarbeiter wollten im Rahmen dieses Programms ein Modell für das Erwerben oder das Verwerfen von Überzeugungen
entwickeln. Stoff dafür gab es genug.
Bisher ist ein weites Feld kognitiver Fehlleistungen untersucht worden, zunächst die bekannteren Wahnvorstellungen, die gewöhnlich
mit einer Schizophrenie einhergehen. Dazu gehören der Verfolgungswahn, die Vorstellung, dass
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