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Gehirnfluesterer

Gehirnfluesterer

Titel: Gehirnfluesterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Dutton
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eingesetzt hat. Er widerspricht mir nicht, auch wenn er darauf hinweist, dass der Fachausdruck dafür
paradoxe Intention
heißt. Ein Symptom wird dadurch beseitigt, dass man das Symptom selbst in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt. Das bringt mich
     zum Nachdenken. Vor meinem Treffen mit MacLeod war mir nicht wirklich klar gewesen, dass Therapie eine Form der Überzeugung
     ist. Wahrscheinlich, weil sie etwas irgendwie »Medizinisches« hat und man dafür einen Arzttermin vereinbaren muss.
    MacLeod weiß das natürlich sehr genau. »Hundertprozentig geht es bei Therapie um Überzeugung«, sagt er. »Im Grunde muss man
     die Leute dazu bringen, ihr Glaubenssystem zu ändern. Im Prinzip sind Therapeuten professionelle Beeinflusser. Was bei der
     Kognitiven Verhaltenstherapie – meiner eigenen Methode – stattfindet, setzt einen Paradigmenwechsel im Gehirn der Menschen
     in Gang. Es geht nicht vorrangig um die
Lösung
des Problems, sondern um einen
anderen Blick
darauf, um einen Aufmerksamkeitswechsel. Der Therapeut produziert keinenSchlüssel für das Problem, sondern bringt die Klienten dazu, das Schloss auszutauschen.«
    Be happy, don’t worry
    In den vergangenen Jahren hat sich MacLeod an vorderster Front für eine brandneue Therapieform eingesetzt, die sogenannte
     Cognitive Bias Modification (CBM), die kognitive Veränderung von zwanghaften Verhaltensweisen. Wenn sie Wirkung zeigt, wofür
     es einige Hinweise gibt, dann wird sie die Grenzen der Überzeugung völlig neu definieren. Colin MacLeod, inzwischen an der
     University of Waterloo in Ontario/Kanada, gehörte schon in den 1980er-Jahren als Postdoc zu den Wissenschaftlern, die die
     kognitive Psychologie auf die klinische Tagesordnung gesetzt haben, besonders auf dem Gebiet der Angststörungen. Was denken
     ängstliche Menschen? MacLeod wollte es wissen. Und was ist der Unterschied zu den anderen? Er brachte fundamentale Dinge zu
     Tage. So wie die Aufmerksamkeit eines – sagen wir – Manchester-United-Fans auf einer Zeitungsseite mit ansonsten unwichtigem
     Text automatisch von den Wörtern Manchester United angezogen wird, so wird auch die Aufmerksamkeit von ängstlichen Menschen
     automatisch von den Dingen in ihrer Umgebung angezogen, die sie bedrohlich finden. Und anders als die anderen können sie diese
     Dinge nicht ausblenden. Sie sind, um den Fachausdruck zu benutzen,
threat vigilant
, also übermäßig aufmerksam gegenüber Bedrohungen.
    Um dies zu zeigen, setzte MacLeod die sogenannte Dotprobe-Aufgabe ein. Die Teilnehmer bestanden wieder aus zwei Gruppen, ängstlichen
     und nicht-ängstlichen Menschen. Sie mussten auf ein Kreuz in der Mitte eines Computerbildschirms starren. Dann tauchten nach
     dem Zufallsprinzip irgendwo am Rand des Bildschirms links oder rechts für ungefähr eine halbe Sekunde zwei Wörter auf, ein
     neutrales und ein bedrohliches. Danach erschien ein Zeichen, in der Regel ein Punkt, an der jeweiligen Stelle. Die Teilnehmer
     mussten so schnell wie möglich das Auftauchendieses Punkts mit einer bestimmten Taste lokalisieren. Das wurde mehrfach wiederholt. Am Schluss wurde die durchschnittliche
     Reaktionszeit gemessen und die Leistung von ängstlichen und nicht-ängstlichen Teilnehmern verglichen.
    Ein vielsagender Unterschied kam zum Vorschein. Ängstliche Individuen, so zeigte sich, lokalisierten den Punkt schneller,
     wenn vorher an der Stelle ein bedrohliches Wort aufgetaucht war, als wenn es sich um ein neutrales handelte. Bei den Nicht-Ängstlichen
     gab es diese Differenz nicht. Mit anderen Worten: Ängstliche Menschen haben eine kognitive Tendenz hin zu Bedrohlichem.
    Später stellte MacLeod noch ganz andere Überlegungen zu diesem Dotprobe-Paradigma an. Die Versuchsanordnung ist ja zunächst,
     wie wir gesehen haben, dafür geeignet, genau feststellen zu können, was Angst befördert. Zumindest auf der kognitiven Ebene.
     Aber konnte sie auch dafür eingesetzt werden, Angst zu reduzieren? Den Zwang, auf Bedrohungen zu achten, »wegzuzwingen«? Auch
     dafür konnte er Belege finden.
    Im Jahr 2002 haben er und seine Mitarbeiter den Text dahingehend modifiziert, dass das Zeichen nicht mehr zufällig auftauchte,
     mal an dem Ort mit dem bedrohlichen Wort, mal an dem mit dem neutralen. Stattdessen tauchte es nur an dem einen oder dem anderen
     Ort auf. Bei dem bedrohlichen Wort war das dann die Attend-Threat-Position (AT), bei dem neutralen die Attend-Neutral-Position
     (AN). Dann wählte MacLeod eine Gruppe von

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