Gehirnfluesterer
Probanden mit mittlerem Ängstlichkeitsgrad aus, basierend auf dem State-Trait-Anxiety-Inventory
(STAI), und teilte sie wiederum in zwei Gruppen auf. Die einen bekamen 600 Treffer von AT, die anderen 600 von AN zu sehen. Er wollte wissen, ob man diesen Test auch in ein Trainingsprogramm umbauen
konnte. Konnte die ständige Lenkung der Aufmerksamkeit auf die eine oder die andere Stelle die vorhandenen Zwänge verstärken
bzw. abschwächen?
So war es. Als nach Abschluss des »Trainings« die A T-Gruppe der normalen Dotprobe-Aufgabe ausgesetzt wurde, war ihre Aufmerksamkeit für bedrohliche Wörter noch angestiegen. Beider A N-Gruppe galt das für die neutralen Wörter. Und als die Teilnehmer im Anschluss Buchstabenrätsel lösen sollten, die speziell dafür
gemacht waren, das Angstgefühl zu steigern, denn sie waren entweder in Suaheli oder sowieso nicht lösbar, zeigten diejenigen
aus der A N-Gruppe weniger Stresssignale als die anderen.
Damit nicht genug. Während MacLeod an einem Aufmerksamkeitstraining arbeitete, dachten Andrew Mathews und Bundy Mackintosh
am MRC Cognition and Brain Sciences-Institut in Cambridge in eine ähnliche Richtung. Sie entwickelten eine Technik, die die
Art und Weise, wie wir eine Situation einschätzen, verändert. Aus seiner Zeit als klinischer Psychologe am St. George’s Hospital
in London wusste Mathews, dass nicht nur die Aufmerksamkeit von Angstpatienten, sondern auch ihre Denkprozesse sich auf die
bedrohlichen Reize im Umfeld konzentrieren. Während wir anderen die positive Seite sehen, neigen ängstliche Menschen zum Gegenteil.
Sie interpretieren die Dinge negativ und feindlich.
Mathews hat einen ähnlichen Ansatz wie MacLeod. Allerdings trainiert er nicht Aufmerksamkeit, sondern Erkenntnis. Ein typisches
Experiment besteht darin, dass Probanden mit einer Reihe von Szenarien konfrontiert werden. Darin gibt es ein Wortfragment,
das sie vervollständigen müssen, um die Geschichte abzuschließen, positiv oder negativ. Am Anfang gibt es eine Konditionierungsphase.
Das geht zum Beispiel so: »Ihr Partner bittet Sie, zu einem Jubiläumsessen seiner Firma mitzukommen. Sie kennen seine Kolleginnen
und Kollegen bisher nicht. Während Sie sich für das Essen feinmachen, denken Sie, dass diese Leute Sie … finden werden.« Wenn man eine negative Interpretation herbeiführen will, dann lautet das zu vervollständigende Wort »lan…eilig«
(langweilig). Man muss hundert solche Beispiele ausfüllen. Wenn es um eine positive Tendenz geht, dann lautet das zu ergänzende
Wort »sym…isch« (sympathisch), und man muss auch hundert solche Beispiele ausfüllen.
Im Anschluss, in der Testphase, bekommen die Teilnehmer andere Geschichten vorgesetzt, ähnlich wie die ersten, aber mitdem Unterschied, dass diesmal keine Hilfestellung für das fehlende Wort geboten wird, sondern eine Reihe von möglichen Lösungen,
die so oder so passen würden.
Genau wie bei MacLeods Aufmerksamkeitstraining stellte sich heraus, dass die Teilnehmer, die auf negative Ergebnisse konditioniert
waren, auch hier solche Lösungen bevorzugten, und bei den anderen war es umgekehrt. Und nicht nur das. Als die Teilnehmer
im Anschluss beängstigenden Szenen ausgesetzt wurden, zum Beispiel Videos von Verletzungen und Unfällen, zeigten die positiv
Konditionierten deutlich weniger Ängstlichkeit als die negativ Konditionierten.
»Don’t worry, be happy«, sang Bobby McFerrin. Eigentlich müsste es umgekehrt heißen.
Leitbahnen der Überzeugung
MacLeod und Mathews sind optimistisch im Hinblick auf die Zukunft. (Wer, wenn nicht sie?) Sie haben aber auch guten Grund
dafür. Wenn Glauben, wie Sam Harris zeigte, für einen bestimmten Zustand des Gehirns steht, dann kann, jedenfalls in der Theorie,
die Änderung dieses Zustands auch den Glauben ändern. Nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis. Und nicht nur
eine, sondern alle Arten des Glaubens. Den religiösen, den politischen, was immer Sie wollen.
Ein paar Jahre nach seiner ersten Modifizierung des Dotprobe-Paradigmas setzte MacLeod diesen Test bei Klienten mit einer
sozialen Phobie ein, also Menschen, bei denen Angstzustände mit der Anwesenheit von anderen Menschen verbunden sind. In einem
Zeitraum über zwei Wochen durchliefen sie täglich 384 Trainingseinheiten, ausdrücklich zu dem Zweck, ihre Aufmerksamkeit von bedrohlichen Wörtern abzulenken. Das Ergebnis war eine
signifikante Reduzierung der
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