Gehoere ich halt nicht dazu
Liebe ist nicht planbar und gibt’s auch noch nicht bei Frigo zu kaufen. Auch nicht zu gewinnen, aber immer zu verlieren. Liebe kommt und Liebe geht. O h ne anzuklopfen und ohne ein Adieu.
Einige wirkliche Blödheiten der Musikgeschichte: „All you need is Love“: Schwachsinn. Liebe alleine reicht n a türlich nicht. Wo bleibt der Zorn? Hunger? Lust? Geld? Erfolg?
“Love is in the air”: Schmarrn. Sie ist in uns, aber nicht in der Luft. Wozu auch? Völlig aus der Luft gegriffen. Wie wäre es mit einem Handel von Liebeszertifikaten als Beitrag zum globalen Klim a schutz? Völlig vertrottelt.
„Love is a battlefield“: Das hilft meinem Opa auch nicht mehr.
„Love is all around“: Na klar. Im Sonderangebot. Greif nur zu. Frigo und Mama lassen grüßen. Schnapp dir ein e . Nur heute.
“Love hurts”: Der Verlust vielleicht. Die Liebe selbst nicht. Da wären wir Liebenden ja blöd. Hoppla: WIR Li e benden? Aha.
„Love struck“: Schönes Lied. Verstehe ich nicht. Muss im Wö r terbuch nachschlagen.
„Love machine“: No comment.
„Love in an elevator“: Von mir aus. Das geht in Ordnung. Kl a res Bild.
Soweit zur Liebe. Genug liebliche Gedanken gefaselt.
Der Tod hingegen löscht einfach alles aus. Und das hat schon auch was. Ist das nicht herrlich befre i end? Wie sich von alten, überflüssigen Sachen trennen. Da kann man dazu stehen wie man will. A u ßerdem kommt im Unterschied zur Liebe der Tod für jeden. Todsicher. Warum also nicht sein Schicksal oder die Tabletten selbst in die Hand nehmen? Und was weiß die M u sik zum Tod?
Ich will gerade Jolanda vielleicht anrufen als der Arzt meinen Namen ruft.
Danke, Doc. Ich kann wieder mal eine Entscheidung verschi e ben ohne mich schuldig zu fühlen. Das tut echt gut.
Ich erkläre dem Arzt, dass ich so müde bin und nie schl a fen kann.
„Sie brauchen eine Krankmeldung für Ihren Arbeitg e ber?“, fragt er (nicht zum ersten Mal).
„Nein, ich hätte gern irgendein Mittel, damit ich besser ei n schlafen kann, damit ich durchschlafen kann. Was S tarkes“, sag ich mit schwacher Stimme. Ich arbeite ja nicht. Da brauch ich auch keine Krankschreibung. Dieser Idiot sollte sich das einmal merken.
Der Arzt schreibt , und ich freue mich, dass es manchmal so leicht ist, sich durchzusetzen. Ohne Schreien. Ohne Schreiben. Ohne Macht. Ohnmacht.
„Sonst geht’s gut?“, fragt er.
Ich überlege kurz. Soll ich die Abschürfungen vom Sturz beim Laufen dem Arzt zeigen oder wird er diese Wunden nur belächeln? Soll ich dramatisieren und sagen, dass ich einen Au s setzer hatte und daher zu Boden gefallen bin oder verschreibt er mir dann keine Schlaftabletten mehr? Ich hätte mich be s ser vorbereiten sollen.
„Na ja“, sage ich langsam. „Ich habe viel Kopfweh. Hämmer n den Schmerz.“
„Wie oft?“
„Jeden Tag“, lüge ich.
Der Arzt schaut im Computer nach. Dann sagt er: „Na gut, ich schreibe Ihnen wieder eine Überweisung. Hyp o chonder wie Sie mag ich.“
Ich weiß nicht, wie ich diesen Satz verstehen soll. Aber ich komme nicht zum Nachfragen. Der Arzt drängt mich beinahe aus der Tür. „Die Sprechstundenhilfe gibt Ihnen das Rezept und die Überwe i sung. Bis bald“, sagt der Arzt. Und grinst.
„Danke“, sag ich. Und fühle mich wie ein Trottel. Auf Ni m merwiedersehen, denke ich.
Im Wartezimmer ist die Sprechstundenhilfe gerade am Tel e fonieren.
„So schaut’s aus im Gartenhaus“, sagt ein alter Mann mit dickem Bauch und ungewaschenen Haaren. Er riecht nach Alkohol. Ich bin froh, dass ich nicht Arzt bin und einen sti n kenden Wichser wie ihn berühren muss. Soll er verrecken , der fette, alte Sack.
Die Sprechstundenhilfe gibt mir meine zwei Zettel und telefoniert weiter. Darum gehe ich ohne weitere Erkl ä rungen.
Ich nehme das Handy, das ich auf lautlos gestellt habe, aus meiner Jackentasche. Kein Anruf in Abw e senheit. Keine SMS. Schade.
Noch so viel Zeit. Ich halte die Luft an. 56 Sekunden schaffe ich. Danach brauche ich zwei Minuten bis ich wieder normal atme. Dreimal mach ich dieses Spiel und habe wieder zehn Minuten herumg e bracht.
Ich denke daran, dass Jolanda keine Jungfrau mehr ist, wenn sie bereits einen kleinen Sohn hat. Und dass Selbstmordattentäter im Islam 72 Jungfrauen im Par a dies erwarten, wenn ich mir das richtig gemerkt habe. Schade, dass ich nicht glaube. Ich erinnere mich an den Golf mit dem Jesus-Fisch und entwerfe ein Experiment, mit dem man herausfinden könnte, welche Religion in
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