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Gehoere ich halt nicht dazu

Gehoere ich halt nicht dazu

Titel: Gehoere ich halt nicht dazu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Angerer , Miriam Koch
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ich allerdings noch immer nicht weiß, wie ich zum Leic h nam werden soll, macht mich jetzt ein bisschen nervös. Ich denke, ich werde alle Tabletten schlucken, die ich habe. Ich zähle die Packungen. 28 Schachteln mit verschiedensten Schlafmitteln habe ich. Und noch das Rezept von meinem prakt i schen Arzt. Was hat er gesagt? Bis bald? Ha! So ein Trottel!
    Vielleicht lege ich mich mit den Tabletten auch noch in die Badewanne und werfe den Fön hinein. Sicher ist sicher. Aber wenn, dann zieh ich mich für dieses letzte Bad nicht aus. O b wohl das eigentlich egal wäre. Im Le i chenschauhaus sind alle nackt. Zumindest kenne ich das aus Filmen so.
    Ich schreibe jetzt am Computer noch meinen letzten Willen. Der letzte Wille kommt mir ein wenig wie mein erster Wille überhaupt vor. Na immerhin. Dein Wille geschehe. Wie im Himmel so auf Erden. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsren Schuldigern. Verheerend schlec h ter Satzaufbau. Hätte ruhig mal jemand modifizieren können in all den Jahrhunderten. Komisch was einem manchmal so ei n fällt. 
    Jetzt aber zu meinem Willen. Mein Wille geschehe. Z u mindest einmal im Leben. Oder zumindest danach.
    „Alles, was ich habe, vermache ich Jolanda und ihrem Sohn. Sollte Kurt Kuhbauer wirklich mein Vater sein, so soll er se i nen Pflichtanteil erhalten, auch wenn er keine Vaterpflichten erfüllt hat. (Jetzt fällt mir plötzlich der ehemalige Präsident ein, der nur „mitgeritten“ ist, als er seine Pflicht erfüllt hat. Mitgeritten. Welch passendes Bild für meinen Vater.) Dafür soll Kurt Kuhbauer jede n falls ab und zu nach meiner Mutter sehen. Alles, was Schlangen brauchen können, soll man im Haus des Me e res abgeben. Es tut mir leid, dass meine Boa Frau Schö n thaler so erschreckt hat. Es tut mir leid, wenn ich irgen d jemandem Scherereien gemacht habe.“
    Ich drucke die Seite aus und unterschreibe den Text. Ich klebe den Zettel auf die Badezimmertür.
    Pitpuff69 fragt, ob sie mir eine Nachricht sch i cken darf. Ich verweigere.
    Ich drücke die Tabletten aus den Packungen in einen Suppe n teller. Es sind sehr viele Pillen. Ich denk, das sol l te reichen.
    Es ist zwölf Uhr. High Noon. Kein Duell. Nur ich gegen mich. Zeit für mein letztes Mittagessen. Ich habe keinen besond e ren Appetit.
    Ich lasse das Badewasser ein.
    Ich sehe in den Spiegel, will lächeln, aber mir gelingt nur ein eigentümliches Grinsen.
    Ich suche Batterien für den CD-Spieler. Denn wenn der Fön in die Badewanne fällt, müsste es ja zu einem Stromausfall kommen. Und ich will die Musik bis zum Schluss hören. Nur welches Lied? Ich höre mir „Mad world“ an: „And I find it kind of funny, I find it kind of sad, the dreams in which I’m dying are the best I’ve ever had.“
    Ich blicke auf den “Tablettencocktail” im Suppenteller. Eine dumme Bezeichnung, die immer und immer wieder verwe n det wird, wenn von Selbstmord mit Tabletten berichtet wird. Will ich nicht doch lieber einen Mojito, wenn es schon ein Cocktail sein muss? Das Tablettengericht spricht mich jede n falls grundsätzlich nicht an.
    Ich spüre wieder dieses Missverhältnis zwischen dem Beso n deren in meiner Fantasie, dem ich so gerne nahe kommen möchte und dem Trivialen, Auswechselbaren, das ich vergeistige und verkörpere. Ich will mich also allen Ernstes mit Ta b letten umbringen. So wie tausende andere vor mir. Wie feige. Wie ideenlos. Wie trivial. Wie gewöhnlich. Was für ein Scheiß-Abgang. 
    Auch als Jugendlicher habe ich schon häufig überlegt, wie ein Selbstmord für mich wohl aussehen könnte. Wie er sich anfühlen würde an mir. Ich dachte häufig - und trotz Höhenangst - an einen unvergesslichen Sprung von einem besonders hohen Punkt aus. Mit Fernsicht. Z u mindest während des Fluges würde ich dann noch ei n mal etwas ganz Imposantes erleben. Etwas wahrhaft Einzigartiges. Heute ist auch diese, meine Idee längst von anderen kopiert und umgesetzt. Ich war wie immer zu zögerlich und zu langsam. Ich war einfach nie vorne mit dabei. Auch nicht in der Mitte und nicht mal am Schluss. Ich habe halt nie wirklich dazu gehört.
    Da gibt es etwa den „Prekestolen“ in Norwegen, der sich schon mehrmals als Kulisse für einen Selbstmord ausgezeic h net hat. Die deutsche Übersetzung von Prekestolen, nämlich Predigtstuhl, gibt dem Umfeld des Todes noch eine zarte, religiöse Nuance. Grundsätzlich also eine gute Lösung für mein Vorhaben. Aber leider eben nicht neu. Außerdem viel zu aufwendig in

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