Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gehorche mir!

Gehorche mir!

Titel: Gehorche mir! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jansen Nina
Vom Netzwerk:
unbegründet war. Beim nächsten Mal wird dir diese Erfahrung helfen, die Angst loszulassen.“
    Celia lachte. „Ja, ich reise ihr bestimmt nie wieder nach. Und wenn sie tatsächlich einem Bösewicht in die Fänge gerät, hat sie Pech gehabt. Aber ...“ Sie zog das Wort in die Länge. „Was ist, wenn sich eine Angst als begründet herausstellt? Dann hat die Realitätsprüfung genau das Gegenteil bewirkt.“
    „Das stimmt. Dann wirkt diese Erfahrung verstärkend auf die Angst.“
    „Das könnte bei mir der Fall gewesen sein. Ich hatte ein sehr prägendes Erlebnis. Magst du Katzen?“
    „Sehr, wieso?“
    „Weil jemand, der Katzen nicht mag, meine Geschichte nicht nachvollziehen könnte.“
    Was Celia ihm dann schilderte, war der klassische Alptraum jedes Katzenbesitzers: Das Tier verschwindet spurlos und man weiß nicht, was ihm passiert ist.
    Celias Kater, der sie ihre ganze Kindheit hindurch begleitet hatte, hieß Diary. „Er war mein Tagebuch. Ich habe ihm jeden Tag alles erzählt, was ich erlebt hatte.“
    „Und du warst dir sicher, dass er sich alles merkt“, ergänzte Alan. Es war das magische Denken der Kindheit.
    „Ganz sicher sogar. Und er erzählte mir von seinen Abenteuern. Er war ein Freigänger, und seine Nächte waren erfüllt von Düften und Jagderfolgen. Jetzt, da ich in London lebe, würde ich keine Katze halten. Ein so freiheitsliebendes Tier einzusperren, würde mir widerstreben. Aber ich vermisse das feline Element in meinem Leben.“
    Als Celia neun gewesen war, erzählte sie weiter, war Diary eines Tages verschwunden. Tag für Tag war er viele Jahre lang jeden Morgen pünktlich erschienen, um neben dem Frühstückstisch sein Katzenfutter hinunterzuschlingen, bevor er sich auf die Couch legte, sorgfältig sein Fell putzte und sich zum Schlafen zusammenrollte.
    „Ich war total durcheinander. Ich rief in den Regen hinaus. Diary erschien nicht. Mit einem Mal war ich mir vollkommen sicher, dass ihm etwas Schreckliches passiert war. Vor meinem geistigen Auge sah ich ihn in schneller Folge mal überfahren im Straßengraben liegen, dann von Tierfängern entführt und in ein Versuchslabor verschleppt, oder von Hunden zu Tode gehetzt. Ich sah ihn im Fluss ertrinken. Ich sah ihn von einem Baum fallen und sich das Rückgrat brechen. Ich rief immer lauter und hysterischer nach ihm, bis meine Mutter wütend wurde und die Tür zuknallte. Sie versicherte mir, dass er wiederkommen würde. ‘Katzen haben keine Armbanduhr’, sagte sie. Ich fühlte mich so unverstanden. Grauenhaft. Ich habe mich dermaßen in die Gewissheit hineingesteigert, mein süßer Diary sei tot, dass mir in der Schule übel wurde, und Mum mich abholen kommen musste. Als ich wieder daheim war, zog ich sofort los, um Diary zu suchen, denn er war immer noch nicht aufgetaucht. Im strömenden Regen rannte ich herum, ziellos, getrieben nur von meiner Angst.“
    „In ein Kinderherz passt sehr viel Angst“, sagte Alan.
    Celias Atemgeräusche ließen darauf schließen, dass sie Tränen in den Augen hatte. „Ich glaube, in vieler Hinsicht habe ich heute noch ein Kinderherz.“
    Alan merkte, dass er selbst Herzklopfen bekommen hatte „Hast du Diary gefunden?“
    „Als der Regen nachließ, hörte ich ihn, nur drei Häuser von uns entfernt. Er maunzte ganz schwach. Er war in eine Lebendfalle geraten, die jemand aufgestellt hatte, um Marder zu fangen.“
    Diary wurde aus dem engen Gefängnis befreit, bekam etwas zu essen und viel tröstenden Zuspruch.
    „Etwas brannte sich in mein Gedächtnis ein: Meine wütende Mum, die den Fallensteller anherrschte, der arme Diary wäre jämmerlich eingegangen, wenn ich ihn nicht rechtzeitig gefunden hätte.“
    Alan hielt am Straßenrand neben einem Bauernhof, stellte den Wagen ab, schnallte sich los und beugte sich zu Celia herüber. Er nahm sie in die Arme. „Ich hoffe, Diary hatte danach noch ein langes, glückliches Leben.“
    „Ja“, sagte sie, den Kopf an seine Schulter gepresst, die Stimme gedämpft und von leisen Schluchzern unterbrochen. „Er hat alles miterlebt. Meine erste Monatsblutung, meinen ersten Liebeskummer und meine erste Zigarette, die zum Glück auch meine letzte war. Himmel, wurde mir von dem Zeug schlecht.“ Aus dem Schluchzen wurde ein Lachen. „Er starb an Altersschwäche nur wenige Tage, bevor ich daheim auszog.“
    Alan küsste ihr vom Fahrtwind zerzaustes Haar. Er fühlte sich seltsam glücklich. Aber es bereitete ihm Sorgen, dass Celia in Glowcastle völlig fehl am

Weitere Kostenlose Bücher