Geht das denn schon wieder los?
dessen gegenteiliger Behauptung nicht in unmittelbarer Lebensgefahr; sein Sohn hatte zumindest angerufen und dem Patienten in gedämpftem Moll sein Mitgefühl ausgedrückt, doch anschließend wollte er noch mit mir sprechen, und das dauerte wesentlich länger; zehn Minuten Dubai und dann noch ein paar Sätze über die Insel.
»Als ich noch auf’m Kahn war, haben wir zweimal die Malediven angesteuert«, erfuhr ich, »aber da lagen wir ja vor Male auf Reede, ich kam nicht runter vom Schiff, und deshalb habe ich von dem ganzen Urlaubsparadies nie mehr gesehen als Dhonis und das goldene Dach von der Moschee.«
Manchmal schien er doch noch ein bisschen jenen zwei Jahren nachzutrauern, in denen er als Steward auf der QUEEN ELIZABETH II ein paarmal den Globus umrundet hatte. »Das ist zwanzig Jahre her, Sascha! Heute würdest du vor lauter Hochhäusern nicht mal mehr die Moschee finden!«
»Will ich auch gar nicht, ich bin schon froh, wenn ich diesmal auf Anhieb den richtigen Check-in auf dem Frankfurter Flughafen finde! Im Juli wollen wir mit Bastian nach Fuerteventura.«
Richtig, für den größten Teil der Bevölkerung findet der Jahresurlaub im Sommer statt und da wiederum während der Ferien, deshalb sind
wir
ja auch immer diejenigen, die beim Nachbarn die Tomaten im Garten bewässern und die Polizei rufen sollen, falls jemand übern Balkon klettern will. Hatte ich sogar mal beobachtet – abends, als es schon dämmerte. Allerdings wollte der Einbrecher nicht über den Balkon einsteigen, sondern durchs Kellerfenster. Den Telefonhörer hatte ich schon in der Hand gehabt, doch dann ertastete ich endlich meine Brille, setzte sie auf und legte den Hörer ganz schnell wieder hin. Woher hätte ich denn auch wissen sollen, dass Michael diesmal
nicht
mit seinen Eltern nach Tunesien geflogen war? Ich habe ihm später empfohlen, für seinen ständig vergessenen Hausschlüssel doch endlich mal außerhalb der vier Wände ein adäquates Versteck zu finden.
Katja hatte ihr Bedauern über den Treppensturz ebenfalls nur telefonisch bekundet, ihren baldigen Besuch aber in Aussicht gestellt zwecks näherer Informationen im Hinblick auf die Doppelhochzeit. Bis jetzt wusste ich nur, dass dieser Plan während einer feucht-fröhlichen Geburtstagsfeier entstanden war und hinterher niemand mehr wusste,
wer
denn überhaupt diese Idee ausgebrütet hatte.
Auch Stefanie sah keinen Grund, an das Krankenbett bzw. Sofa zu eilen und ihren Vater angemessen zu bedauern. Sie entschuldigte sich per Telefon: »Ich habe einen Haushalt, einen Ehemann, einen Hund und noch drei Maschinen Bügelwäsche. Das ist immer so nach einem Urlaub. Von der Firma rede ich schon gar nicht! Und überhaupt brauchst du dich nicht so anzustellen!
Ich
habe damals mit sechzehn trotz einer Rippenprellung sogar beim Staffellauf mitgemacht, da sind wir immerhin noch Dritte geworden.« (Stimmt, die vierte teilnehmende Mannschaft war vorzeitig ausgeschieden). »Du solltest nicht bloß so rumliegen, sondern dich im Gegenteil viel bewegen! Sonst verknöcherst du!«
Das allerdings wollte der Patient nun ganz und gar nicht hören! »Der Arzt hat gesagt, ich soll mich schonen!«
»Aber nicht für den Rest deines Lebens!«
Worauf der Vater das Gespräch mit seiner Tochter abrupt beendete.
»Siehste, Steffi sagt auch, du sollst dich endlich wieder auf die Beine stellen!«, trumpfte ich auf. »Aber mir glaubst du ja nicht!«
»Woher weißt du überhaupt, was ich mit Stefanie …«
»… weil nebenan der Lautsprecher eingeschaltet war! Deine Klagelieder habe ich bis in die Küche gehört!«
Wäre es nach Sascha gegangen, dann hätten wir noch einen weiteren Anschluss haben müssen, und zwar im Bad. Zu jener Zeit hatte er nämlich einen Teil seiner freien Tage in der Badewanne verbracht – Fernseher im Waschbecken und Verpflegung auf dem Wannenrand. Ihm hatte lediglich der Kontakt zur Außenwelt gefehlt, denn Handys waren noch nicht erfunden worden.
Timmi war es schließlich, der seinen Großvater zumindest vorübergehend aus der Horizontalen in die Vertikale brachte! Im Liegen kann man nämlich nicht richtig in den Kinderwagen gucken und kille-kille machen oder was Opas sonst noch tun, um ihrem knapp drei Monate alten Enkel ein Lächeln zu entlocken.
Mir war das vorher nicht gelungen! Ich hatte den noch leicht verschlafenen Knaben aus dem Wagen genommen, was ihm schon nicht richtig zu passen schien, trotzdem hatte er mir einen flüchtigen Blick gegönnt, dann einen
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