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Geht das denn schon wieder los?

Geht das denn schon wieder los?

Titel: Geht das denn schon wieder los? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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auch nicht allzu weit entfernt, fünfunddreißig Kilometer sind keine unüberwindliche Strecke und ganz besonders dann nicht, wenn man zwar noch Resturlaub vom vergangenen Jahr hat, das dafür vorgesehene Geld aber unbedingt in eine neue Stereoanlage stecken musste – ganz zu schweigen von der nicht näher bezifferten Summe für zu schnelles Fahren in einer sowieso verbotenen Dreißigerzone.
    »Dabei ist das immer ein besserer Feldweg gewesen mit lediglich drei Scheunen und einer alten Milch-Ablieferungsstelle!«, hatte er sich beschwert. »Früher sind gelegentlich noch Kühe durchgezogen, jetzt ist da absolut tote Hose.«
    »Und was hast du in dieser toten Hose gewollt?« Das interessiert einen dann ja doch.
    »Den Weg abkürzen! Das ist nämlich ein wenig bekannter Schleichpfad mit ›Durchfahrt verboten‹ und so, da ist bisher auch kaum mal jemand gefahren. Und plötzlich steht mitten in der Pampa so ’n Starenkasten! Ich hab ja auch gleich was drübergehängt, aber dabei muss mich jemand beobachtet haben, und nun ist es richtig teuer geworden!«
    Womit sich wieder einmal die Erkenntnis bestätigte, dass das wichtigste Zubehör eines Autos eine gut gefüllte Brieftasche ist beziehungsweise sein sollte.
    Sven zog schließlich ab mit einem Fünfzig-Mark-Schein in der Tasche, eine Hälfte davon für Benzin und die andere für Mineralwasser und Orangensaft (Flaschen schleppen ist immer noch Männersache, aber nur bei Bier tun sie’s freiwillig). Meinen Wagen brauchte ich nämlich selber. Zum Einkaufen!
    Es soll ja mal eine Zeit gegeben haben, als man sein Dienstmädchen zum Krämer schickte. Wer etwas auf sich hielt, der hatte nämlich eins, das weiß ich von Tante Lotti, jener entfernten Großtante, die etwas Höheres aus dem preußischen Beamten-Adel geheiratet und bis zu ihrem Ableben als letzte Instanz in Fragen der Etikette gegolten hatte. Wenn ihr Mädchen zweimal im Monat seinen freien Tag hatte, dann ließ sich Tante Lotti die Waren ins Haus liefern. Das musste meistens der Lehrbub machen, tat er sogar gern, weil er ein Trinkgeld bekam; seinerzeit offenbar die einzige Verdienstmöglichkeit, denn Lehrlingsgehalt gab’s noch nicht, und was eine Berufsschule ist, hatte er auch noch nicht gewusst.
    Ein Dienstmädchen hatten
wir
allerdings nie gehabt, und die Einkäufe hat Omi immer selber gemacht; da konnte sie wenigstens sehen,
was
man ihr einpackte und das dann gegebenenfalls und meist erfolgreich beanstanden.
    Das goldene Einkaufszeitalter brach für uns, die wir an Lebensmittelkarten und Zuteilungsdekaden gewöhnt waren, erst in den fünfziger Jahren an, obwohl wir doch alle schon genau wussten, wie das in Amerika mit dem Shoppen funktioniert. Nicht umsonst waren wir in der unmittelbaren Nachkriegszeit mit amerikanischen Filmen überschwemmt worden, und gelegentlich spielte eine Szene auch mal in einem Supermarkt. (Solche Sequenzen hatten mich seinerzeit übrigens mehr fasziniert als ein Zehnsekundenkuss zwischen Bob Hope und Esther Williams). In diesen riesigen Geschäften gab es keinen Ladentisch mehr, keine Verkäuferinnen und keine Waage, weil alles schon fertig verpackt war. Und man konnte sich nicht nur Coffee, Cornflakes und Peanutbutter selber aus den Regalen nehmen, sondern auch Sonnenbrillen, Nylonstrümpfe, Bücher und sogar Spielzeug. Unvorstellbar! Klaut denn da niemand was?
    Etliche Jahre später hatten wir das alles auch hier bei uns, aber seitdem ist die Entwicklung im Bereich der Lebensmittelbeschaffung einfach stehen geblieben! Was nützt ein Drogeriemarkt, der über drei Etagen geht, bei dem ich aber immer noch meine Einkäufe im Plastikkorb zur Kasse tragen, nach dem Bezahlen selber einpacken und zum Auto schleppen muss? Wo sind die Transportbänder zur Chip-Kasse? Wo das automatische Weiterleiten der Einkäufe in die Tiefgarage?
    Das alles und noch mehr könnte man im Laufe eines halben Jahrhunderts nun wirklich entwickelt haben, zumal man uns doch sowieso nur noch Haushaltshilfen gönnt, die kaum Deutsch verstehen und nicht mal wissen, was Kässpätzle sind oder wie man Bärlauchsuppe kocht.
    Wir haben übrigens noch immer keins! Also kein Dienstmädchen beziehungsweise ATA -Girl, Cleaning Lady, housemaid oder wie auch immer man heutzutage diese hilfreichen Damen zu nennen pflegt. Folglich tat ich auch jetzt wieder das, was ich seit Jahrzehnten tue: Ich griff selber zu Geldbeutel und Schlüssel, vergaß – auch das nichts Neues! – die Einkaufsliste, und war die nächste Stunde

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