Geht das denn schon wieder los?
und …«
»Wieso zu Fuß?«, unterbrach ich sie, »Reifenpanne? Haben die denn kein Handy dabei?«
»Im Jahre siebzehnhundertundetwas?«
So was nennt man ja wohl
voll daneben!
Aber hin und wieder vergesse ich immer noch, dass aus ehemaligen BRAVO -Lesern inzwischen ganz vernünftige Menschen geworden sind, deren literarischer Horizont nicht mehr beim Programmheft für
Dirty Dancing
aufhört. Trotzdem kann ich gelegentliche Sticheleien einfach nicht lassen. »Seit wann interessierst du dich für Bücher, die
vor
dem ersten Album der Beatles erschienen sind? Soviel ich weiß, hast du nicht mal das Frauen-Epos
Vom Winde verweht
gelesen.«
»Da hat mir der Film gereicht! Und jetzt hör auf zu sticheln, ich will weiterlesen!«
Dazu kam es aber doch nicht mehr, weil Greg auftauchte.
Er stand plötzlich vor uns und fiel schon allein deshalb auf, weil er zwar sehr europäisch aussah, doch offensichtlich kein Gast war. Zahlende Gäste tragen selten eine Art Uniform, bestehend aus Bermuda-Shorts, Oberhemd und einem Hut mit breiter Krempe, alles olivfarben, sowie soliden Wanderstiefeln; den Hut hatte er allerdings abgenommen, so dass seine blonden Haare (wie heißt es doch immer so treffend in einschlägigen Romanen?)
wie ein goldener Helm in der Sonne schimmerten.
Sie taten es aber wirklich!
Ich schätzte ihn auf Mitte dreißig und hatte damit genau richtig gelegen, doch das erfuhren wir erst später, nachdem er seine Ich-bin-hier-nur-angestellt-Reserviertheit ein bisschen zurückgenommen und auch von sich selbst erzählt hatte. Auf Englisch natürlich, was die Kommunikation für uns – außer für Susanne – doch etwas erschwerte. Im Allgemeinen kommen wir überall ganz gut klar, aber für längere Unterhaltungen über bestimmte Themen fehlen uns einfach die nötigen Vokabeln. Wer weiß denn schon auf Anhieb, was »Einreisebestimmung« auf Englisch heißt oder »persönlicher Bürge«? Und mit »breeding of hawks« konnte ich auch nicht viel anfangen; es musste etwas sein, was Greg besonders am Herzen lag, denn er lud uns zum Training ein und meinte, das sei für uns sicher sehr interessant, oder ob es so etwas auch in Germany gebe?
»Was immer es auch sein mag«, flüsterte ich Susanne zu, »ich habe nicht die geringste Absicht, jetzt in irgendeiner Weise sportlich zu werden!«
»Musst du auch nicht«, flüsterte sie zurück, »er ist doch bloß Vogeldompteur!«
»???«
»Präzise ausgedrückt: Er richtet Jagdfalken ab. Die gehören zwar dem Scheich, kosten jeweils ein kleines Vermögen oder auch mal ein großes, aber sie müssen natürlich regelmäßig trainiert werden. Dafür ist Greg da, und jetzt hat er gefragt, ob wir zusehen wollen.«
Offenbar hatte ich die Sache noch immer nicht kapiert. »Ich soll zugucken, wie jemand Vögel fliegen lässt? In unserem Garten steht ein Futterhäuschen, da ist den ganzen Winter über Hochbetrieb, das genügt mir. Ich bin doch keine Ornithologin!«
»Natürlich musst du nicht mit«, mischte sich Hannes ein, »aber hast du was Besseres vor?«
Außer Kofferauspacken fiel mir nichts ein, und das wäre vermutlich genauso spannend wie fliegenden Vögeln hinterher zu gucken.
Zehn Minuten später fanden wir uns wüstentauglich gekleidet vor dem Hauptgebäude ein, wo Greg schon in klassischer Kino-Position auf uns wartete: Lässig an die offene Tür seines dekorativ verstaubten Geländewagens gelehnt, Zigarette in der einen Hand und Wagenschlüssel in der anderen, hätte er als Titelbild eines Prospekts für Abenteuerreisen dienen können. Der Bursche sah ausgesprochen gut aus, und das wusste er auch.
Ein bisschen sehr eng war es ja, nachdem wir uns alle in den offenen Wagen gequetscht hatten, in dem hinter den Rücksitzen auch noch drei Vogelkäfige standen, aber die Fahrt sollte höchstens fünf Minuten dauern, deshalb hatte ich auch den mir angebotenen Platz neben dem Fahrer an Susanne abgetreten; schließlich hatte ich Augen im Kopf!
Machen wir’s kurz: Ich habe an jenem Nachmittag nicht herausgebracht, welchen Reiz ein Vogel haben soll, der auf einer ledergeschützten Hand sitzt und eine Haube auf dem Kopf hat. Sobald man sie ihm abnimmt, fliegt er weg, steigt hoch und kommt auf ein Zeichen wieder zurück. Dann lässt er sich erneut auf der Hand nieder, bekommt ein Belohnungshäppchen zugesteckt, kriegt die Haube wieder auf, und wartet, bis er das nächste Mal dran ist. Aus Sicht der Vögel dauert das wahrscheinlich nicht lange, doch ein Zuschauer, der von den
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