Geht das denn schon wieder los?
Label im Kragen normalerweise kosten würde, wenn die läppischen siebenhundertneunundfünfzig Dollar schon der herabgesetzte Preis war, stellt man als bundesdeutscher Normalbürger besser gar nicht erst an.
»Langsam geht mir dieser allgegenwärtige Reichtum auf den Keks!« Stefanie deutete auf ein schmales, etwa dreißig Stockwerke hohes Bankgebäude, das von einem großen, in schwarzen Marmor gefassten Wasserbecken umgeben war; zum Eingang führte eine Brücke, rechts und links davon sprudelten Fontänen, und weiter hinten gab es sogar einen kleinen Wasserfall. »Und zu Hause regen wir uns auf, weil die Geschäftsleitung unserer Sparkassenfiliale ein Goldfischbecken in die Schalterhalle gestellt hat!«
»Eines mit Haifischen wäre auch passender gewesen«, bemerkte Hannes, an den wir gar nicht mehr gedacht hatten, weil er wieder mal ein paar Meter hinter uns hertrabte, nun aber zügig aufholte. »Die Damen haben doch sicher nichts dagegen, wenn ich sie für eine Weile allein lasse. Da es weder Abendkleider in meiner Größe gibt noch diese entzückenden Riemchensandaletten, werde ich mir den Schaufensterbummel entlang der Textilmeile gar nicht erst antun und stattdessen die hiesige Auswahl an Kameras und Mikro-Elektronik begutachten. Einverstanden?«
Ich staunte. »Toll, was du so früh am Morgen schon für komplizierte Sätze fertig bringst!«
Er ignorierte meine Bemerkung, ordnete vielmehr an: »Wir treffen uns in zwei Stunden neben dem Porsche!« Sprach’s, machte auf dem Absatz kehrt, doch bevor er um die Ecke verschwand, drehte er sich noch einmal um: »Oder in drei!«
»Reicht dir denn die Zeit?«, rief ich hinterher, aber das hatte er schon nicht mehr gehört.
Der silberne Porsche war uns gleich am ersten Tag aufgefallen. Er stand mitten im Einkaufstempel auf einem Podest, war der Hauptgewinn irgendeiner Lotterie und sollte am heutigen Abend ausgelost werden.
»Kauf mal ein Los!«, hatte ich vorgeschlagen. »Bei so was hast du doch meistens Glück!«, aber Stefanie hatte abgewinkt. »Wie soll ich denn das Auto nach Deutschland kriegen?«
Auch wieder wahr.
Nach einer Stunde Ladentür-auf-Rundgang-Ladentür-zu-nächste-Ladentür-auf-Rundgang … und so weiter trug ich in einer sehr dekorativen Lacktüte ein Seidentüchlein mit mir herum, während Steffi noch zögerte, die ärmellose Bluse mitzunehmen, mit der sie schon eine ganze Weile geliebäugelt hatte. »So richtig gefällt sie mir gar nicht!«
»Dann hör endlich auf, sie dauernd zu umkreisen!«
Worauf meine Tochter zur Kasse marschierte und wenig später mit einer noch viel größeren und schöneren Tüte zurückkam. »Ich hab’s mir überlegt! So billig kriege ich nie wieder was von Armani!«
»Billig?«
»Na ja«, meinte sie zögernd, »vielleicht nicht gerade billig, aber berühmte Namen haben nun mal ihren Preis.«
»Schade nur, dass das Label innen sitzt und dich zu Hause niemand beneiden wird, nicht wahr?«
Ihr herablassender Blick sprach Bände. »Eleganz erkennt man auch ohne Namensschild!«
Den nächsten drei Geschäften widerstanden wir heroisch, das vierte hatte auf zwei Stockwerken Kinderkleidung zu bieten, aber ein Bummel durch die Babyabteilung überzeugte mich sehr schnell, dass Nicki ihren Tim auf keinen Fall in einen hellgrünen oder sogar zitronenfarbenen Strampelanzug mit Rüschen am Hals stecken würde. Meine Frage, ob es denn nichts für männliche Babys gäbe, wurde mit Erstaunen quittiert. »But it
is
for a boy!«
Nun ja, arabische Kinder sehen von Geburt an sonnengebräunt aus, für die ist Gelb eine Kontrastfarbe.
Nächster Halt im Coffee-Shop, den wir aus bekannten Gründen nicht ignorieren durften, und dann waren die zwei Stunden auch schon fast herum. Hannes war noch nicht da, Steffi kaufte nun doch zwei Lose, gab mir eins ab, und bis heute wissen wir nicht, ob nicht eine von uns den Porsche gewonnen hat. Egal, der Erlös dieser Lotterie sollte einem sozialen Projekt zugeführt werden, offen blieb lediglich die Frage, weshalb man dieses Projekt nicht auch aus der Staatskasse finanzierte, die doch unerschöpflich zu sein scheint.
Endlich kam auch unser Herr und Gebieter (ohne Tüte!), worauf wir einmütig beschlossen, vom Shopping die Nase voll zu haben und lieber Susanne Gesellschaft zu leisten. »Da kommt man auch gar nicht erst in Versuchung, noch mehr Geld auszugeben«, sagte Steffi und verminderte vorsichtshalber den Kaufpreis ihrer Bluse um zwei Drittel, bevor sie das teure Stück ihrem Mann zeigte.
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