Geht das denn schon wieder los?
es doch beim heimischen Standesamt geblieben. Das karibische Meer haben wir uns erst ein Jahr später angesehen, als wir zusammen auf Jamaika Urlaub machten und Margit auch mitgekommen war; seinerzeit hatte sie schon fast zur Familie gehört. Wie Hannes, Tom und Katja war auch sie Mitglied der Taucher-Clique gewesen, die sich alle zwei Wochen immer dort getroffen hatte, wo gerade Platz gewesen war.
Die Clique gibt es nicht mehr. Aus den ehemaligen Studenten mit viel Zeit und wenig Geld sind längst richtige Erwachsene geworden, die jetzt mehr Geld und weniger Zeit haben und vor allem nicht mehr auf unserer Terrasse bis nach Mitternacht die Welt verbessern oder wenigstens dafür sorgen wollen, dass in Heidelberg die Radler überall Vorfahrt haben.
Seinerzeit jedenfalls hatte immer ein Jürgen neben Margit gesessen, der nun offenbar von einem Rainer abgelöst worden war. Mir müssen da glatt ein paar Jahre Information fehlen. Aber meine russischen Sprachkenntnisse habe ich ja auch nicht mehr erweitern können. Margit ist nämlich Dolmetscherin, unter anderem für Russisch, und von ihr habe ich so nützliche Vokabeln gelernt wie zum Beispiel
Umspannwerk, Doppelsteckdose
oder
Autowaschanlage,
Begriffe also, die bei einem möglichen Besuch von Moskau oder Sankt Petersburg garantiert hilfreich sein würden! Gesehen hatte ich Margit allerdings schon lange nicht mehr.
Immer noch geistig abwesend stand ich vor dem Frühstücksbuffet, wusste nicht, was ich nehmen sollte, bepackte meinen Teller schließlich mit irgendwas und ging zum Tisch zurück. »Ich weiß ja, dass ich …«
»Willst du dich hier einbürgern lassen, oder weshalb sonst isst du morgens um halb neun Fladenbrot, Ziegenkäse und – was ist das Grüne eigentlich?« Misstrauisch beäugte Steffi meinen Teller. »Sieht aus wie das Zeug, in dem damals Sascha rumgepaddelt ist, nachdem wir ihn in den Waldsee geschmissen hatten – heißt das nicht Entengrütze oder so ähnlich?«
»Brötchen mit Marmelade kriege ich auch zu Hause!« Bei näherer Betrachtung dieser seetangartigen Masse hätte ich allerdings das Brötchen vorgezogen, zumal ich nicht im Entferntesten ahnte, was ich mir da aufgeladen hatte, doch so etwas kann man ja nicht zugeben. »Auf der Platte hat es jedenfalls sehr interessant ausgesehen.«
Leider schmeckte es überhaupt nicht interessant, es war bitter, ließ sich nicht kauen und war möglicherweise ein Teil der Tischdekoration gewesen.
»Könntest
du
Katja nicht mal übers Handy anrufen?«, schlug ich zaghaft vor. »Mir kommt die ganze Hochzeit einfach zu plötzlich! Irgendetwas steckt doch dahinter!«
»Anrufen? Jetzt?«, kam es entsetzt zurück. »Zu Hause isses halb fünf Uhr morgens!«
»Na ja, vielleicht noch ein bisschen zu früh, aber dann später, ja?« Ich hatte nicht nur an dem Entenfutter zu kauen, sondern auch an dieser plötzlichen Hochzeit. Da rief eine achtundzwanzigjährige junge Frau um Mitternacht ihre Schwester, die sie zu Hause alle paar Tage sieht, im Urlaubsort an, nur um ihr mitzuteilen, dass sie irgendwann im Sommer heiraten würde! Das klang doch irgendwie idiotisch! Verstanden hätte ich es allenfalls, wenn Katja überlagert gewesen wäre oder dick und hässlich und deshalb froh, entgegen elterlicher Prognosen doch noch einen abgekriegt zu haben, nur traf das wirklich nicht zu. Seit Jahren liebte sie ihren Tom, genauso lange liebte Tom seine Katja, sie hatten eine hübsche Wohnung, zwei Autos, zwei Fernseher, zwei Computer und meistens auch zwei Meinungen, die allerdings nicht immer kompatibel waren. Das Thema Heirat hatte bis dato auch dazu gehört, aber vielleicht hatten sie endlich einen Adapter gefunden!
»Mich würde ja doch mal interessieren, wie sie ihn rumgekriegt hat!«, sagte Steffi und ließ die dritte Süßstofftablette in ihre Teetasse fallen. »Eigentlich wollte er doch nie heiraten!«
»Noch eine, und es schäumt über!« Ich nahm ihr die Dose aus der Hand und stellte sie auf den Tisch. »Redest du von Tom?«
»Nein, von Rainer!«
Ach so. Den kannte ich aber noch gar nicht, ehrlich gesagt war er mir momentan auch ziemlich egal, denn ich würde ihn spätestens im Sommer kennen lernen
müssen.
Stefanie hatte sich gerade in epischer Breite über seine musischen Talente ausgelassen, die zurzeit wohl noch darin gipfelten, dass er gelegentlich in irgendeiner Band Musik machte, als endlich Susanne kam, wenig später auch Hannes und wir uns den aktuelleren Themen zuwenden konnten, die da lauteten:
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