Geht das denn schon wieder los?
schlimm«, ergänzte er sofort, »weil zum Glück doch nichts gebrochen ist, bloß verstaucht oder geprellt. Und die Treppe ist auch ganz geblieben.«
»Was ist nicht gebrochen oder geprellt?«, schrie ich ihn an, ungerechtfertigt natürlich, er konnte doch nichts dafür, dass mir ein Ehemann im Krankenhaus lieber war als einer auf Abwegen. Wäre ja nicht ausgeschlossen nach fast einem Monat Fastfood und zunehmendem Mangel an gebügelten Hemden.
»Das Bein! Die Arme aber auch nicht! Nur ’ne Rippe ist angeknackst. Und überhaupt lassen sie ihn übermorgen schon wieder raus!« Sven schaltete vom ersten Gang in den zweiten, dann sogar in den dritten, der Stau hatte sich aufgelöst. Vielleicht würde ich doch noch vor Mitternacht ins Bett kommen und es bis dahin sogar geschafft haben, meinem Sohn weitere Informationen zu entlocken. Wieso überhaupt Treppensturz? Seit über dreißig Jahren wohnen wir jetzt in diesem Haus mit seinen sich nach oben und abwärts in den Keller wendelnden Treppen, sämtliche Kinder sind mindestens einmal mehrere Stufen rauf- oder runtergefallen, aber außer viel Geschrei und ein paar Schrammen hatten diese sportlichen Einlagen keine Folgen gehabt.
Wie mag Rolf das bloß hingekriegt haben?, grübelte ich im Stillen. »Hat er mal wieder versucht, zwei Stufen auf einmal zu nehmen?«
Sven grinste nur. »Nee, ich würde eher sagen, er hat keine einzige ausgelassen!« Und als er meinen fragenden Blick sah: »Na ja, wenn man mit fünf übereinander gestapelten Leitz-Ordnern vorm Gesicht die oberste Stufe verfehlt …«
Alles klar! »Aber weitere Hiobsbotschaften hast du nicht auf Lager?«
Er dachte angestrengt nach. »Nö, eigentlich nicht. Nicki und Jörg haben oben im Neubauviertel ein Haus gekauft und wollen noch vor Ostern einziehen, Herr Weinhold ist gestorben, aber den kennst du sowieso nicht, weil du nie ins Freibad gehst, da war der nämlich Bademeister, und die Straßenlaterne bei unserer Garage brennt seit gestern nicht mehr. Diesmal war es die Städtische Müllabfuhr, die beim Zurücksetzen dagegengebrettert ist!«
Zumindest das war nichts Neues, das passierte mindestens einmal im Jahr. Herrn Weinhold kannte ich wirklich nicht, weshalb mich sein Ableben auch nicht näher berührte, und dass der seit Monaten ins Auge gefasste Hauskauf nun Realität geworden war, erstaunte mich nicht wirklich. Kronprinz Tim sollte in einer angemessenen Umgebung aufwachsen und nicht nur in einer Dreieinhalbzimmerwohnung mit Gartenanteil.
»Und was hältst du von den Heiratsplänen deiner Schwester?« Dieses Thema hatte Sven noch gar nicht angeschnitten.
»Welche Schwester?«
»Na, hör mal! Wie viele hast du denn? Zwei sind bereits unter der Haube, bleibt also nur noch eine übrig.«
»Katja? Die heiratet nie, hat sie immer gesagt, und wenn doch, dann nur wegen der Steuer!«
Alles klar! Nun gab es wenigstens einen nachvollziehbaren Grund für die Hochzeit. Dreieinhalb Wochen ohne BILD und Tagesschau bringen zwangsläufig eine vorübergehende Abstinenz von politischen, kulturellen und sonstigen Geschehnissen mit sich. Vielleicht hatte es in der Zwischenzeit tatsächlich eine Steuererhöhung gegeben!
Wir waren wirklich noch vor Mitternacht zu Hause, der Tee in der Thermoskanne war noch lauwarm, die Heizung ebenfalls, weil Sven sie vor zwei Tagen runter-, aber nicht wieder raufgedreht hatte, er friert ja nie, und die heiße Dusche konnte ich mir abschminken, es kam nur kaltes Wasser raus.
»Ach ja, Määm«, klärte mich mein Sohn auf, nachdem er hinter meinem Entsetzensschrei einen zweiten Unglücksfall vermutet hatte und ins Bad gestürzt war, »da stimmt was mit der Warmwasserzufuhr nicht. Ich habe aber schon angerufen, morgen früh kommt jemand!«
Wie war das doch noch mal mit der Dummheit und dem Fehler, nach einer Reise wieder zurückzukommen?
Als die heutigen Solar-Gas-Wasser-Installations-Ingenieure noch Klempner hießen, haben sie nie morgens um fünf nach acht vor der Haustür gestanden! Damals war man nämlich froh, wenn sie überhaupt kamen, weil sie doch alle so viel zu tun hatten und man frühestens nächste Woche an die Reihe kommen würde.
Der von Sven beauftragte Klempner bimmelte mich jedenfalls aus dem Schlaf – immerhin hatte ich einen gewissen Nachholbedarf. Und weil mein Sohn oben in der Mansarde schon früher nie etwas gehört hatte außer dem Ruf zum Mittagessen, konnte ich nicht darauf hoffen, dass
er
die Tür öffnen würde. Also Fenster aufgerissen –
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